Hugo Chávez und die Weltpolitik:"Fahren Sie zur Hölle, Herr Blair"

Deftige Worte, epische Reden: Venezuelas verstorbener Präsident war ein talentierter Rhetoriker. Hugo Chávez wusste, wie er sich bei Medien und Venezolanern Gehör verschaffte. Unvergessliche Momente, die ihn auf dem politischen Parkett weltweit bekannt machten.

Von Kai Thomas

Schuld waren bei Chávez oft die Amerikaner, meist der Kapitalismus. Seine Erklärungen dazu fielen manchmal bizarr aus. Chávez zufolge besitzen die USA beispielsweise eine "Erdbebenwaffe", mit der sie die Katastrophe auf Haiti im Jahr 2010 ausgelöst hätten. Das Erdbeben sei von einem amerikanischen Schockwellensystem verursacht worden, das zudem in der Lage sei, "Wetteranomalien, Fluten, Dürren und Hurrikane" zu verursachen, erklärte Chávez im Staatsfernsehen von Venezuela.

Auch über das Leben auf dem Mars machte Chávez sich Gedanken. Am Welt-Wasser-Tag im Jahr 2011 sagte er, der Kapitalimus sei womöglich auch für das Ende der Zivilisation auf dem Mars verantwortlich: "Ich habe immer gesagt, dass es nicht merkwürdig wäre, wenn es Kapitalismus auf dem Mars gegeben hätte. Aber vielleicht sind der Kapitalismus und der Imperialismus dort angekommen und haben den Planeten zerstört."

Hass auf George Bush

Dass Chávez nicht viel vom ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush hielt, bewies er mehrfach. In einer Rede vor den Vereinten Nationen im Jahr 2006 bezeichnete Chávez den ehemaligen US-Präsidenten als Satan: "Gestern kam der Teufel hierher", spielte Chávez in seiner Ansprache auf Bushs Rede vom Vortag an und fügte hinzu: "Und es riecht heute immer noch nach Schwefel."

Deftige Worte fielen auch häufig in Chávez' eigener Fernsehshow "Aló Presidente!". Im Jahr 2006 wendete er sich dort mit einer Hasstirade direkt an Bush: "Sie sind ein Esel, Mister Danger. Sie sind ein Esel, Herr George W. Bush. Sie sind ein Feigling, ein Mörder, ein [Mittäter am] Völkermord, ein Alkoholiker, ein Betrunkener, ein Lügner, eine unmoralische Person, Mister Danger. Sie sind das Schlimmste, Mister Danger. Das Schlimmste auf diesem Planeten. Ein psychisch kranker Mann, ich weiß das."

Werbung für Bücher

Gerne warb Chávez auf internationalem Parkett auch für Bücher. Während seiner Rede vor den Vereinten Nationen im Jahr 2006 hielt er beispielsweise ein Buch des US-Philosophen Noam Chomsky in die Höhe. Chomsky gilt als einer der prominentesten Kritiker US-amerikanischer Politik. Auch dem aktuellen US-Präsidenten Barack Obama legte Chávez einen linken Schriftsteller ans Herz. Beim Lateinamerika-Gipfel 2009 in Trinidad drückte er Obama "Die offenen Adern Lateinamerikas" von Eduardo Galeano in die Hand. Das Werk beschreibt die Ausbeutung Lateinamerikas durch die USA. Obama sagte später, er habe angenommen, das Buch stamme von Chávez selbst.

Ein Ständchen für Hillary Clinton

Der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton sang Chávez ein Ständchen. Während einer Rede im Jahr 2010 improvisierte er: "Ich werde nicht von Hillary Clinton geliebt und ich liebe sie ebenfalls nicht." Clinton hatte Chávez zuvor während ihrer Tour durch Lateinamerika kritisiert.

Nicht nur Clinton, auch ihre Vorgängerin Condoleezza Rice schätzte Chávez nicht sonderlich. In seiner wöchentlichen Fernsehsendung "Aló Presidente!" drohte ihr Chávez 2006 mit Poesie: "Vergiss' nicht, kleines Mädchen. Ich bin wie der Dornenstrauch, der unscheinbar blüht. Ich wehe meinen Duft Passanten zu und steche denjenigen, der mich schüttelt. Leg dich nicht mit mir an, Condoleezza. Leg dich nicht mit mir an, Mädchen." Rice hatte Venezuela im Vorfeld als Bedrohung für die Demokratie und als "Sidekick" Irans bezeichnet.

"Fahren sie zur Hölle, Herr Blair!"

Zielscheibe von Chávezs Verbalattacken wurde auch Tony Blair. Als der ehemalige britische Premier Venezuela im Jahr 2006 ermahnte, die Regeln der internationalen Gemeinschaft zu befolgen, antwortete Chávez prompt. Blair habe genau diese Regeln mit dem Einmarsch in den Irak missachtet: "Seien sie nicht frech, Herr Blair. Seien sie nicht unmoralisch, Herr Blair. Sie sind einer von denen, die keine Moral besitzen. Sie sind keiner von denen, die das Recht haben, irgendjemanden bezüglich der Regeln der internationalen Gemeinschaft zu kritisieren." Dann legte Chávez mit einer Tirade nach: "Sie sind eine imperialistischer Bauer, der versucht, sich bei 'Danger Bush-Hitler' - dem Nummer Eins Massenmörder und Attentäter auf diesem Planeten - anzubiedern. Fahren sie zur Hölle, Herr Blair."

Robert Mugabe als Freiheitskämpfer

Chávez fand häufig lobende Worte für umstrittene Staatsmänner, war befreundet mit Saddam Hussein, Muammar al Gaddafi und Robert Mugabe. Als Mugabe Venezuela im Jahr 2004 für ein Gipfeltreffen der Entwicklungsländer besuchte, lobte Chávez Simbabwes Diktator in höchsten Tönen. Chavéz bezeichnete Mugabe als "Freiheitskämpfer" und schenkte ihm während einer Ansprache ein Schwert, das der Waffe des südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar nachempfunden ist. "Für dich, der wie Bolívar die Waffen ergriff, um sein Volk zu befreien. Für dich, der wie Bolívar ein wahrer Freiheitskämpfer ist und immer bleiben wird. Mugabe hört, wie sein Volk, nicht auf damit, sich gegen die Anmaßungen der neuen Imperialisten zu wehren."

Seine Bewunderung für Simón Bolívar demonstrierte Chávez auch anderweitig. Mitten in einer Geburtstagsfeier für den Nationalhelden im Jahr 2012 zog der Präsident plötzlich zwei Pistolen unter dem Tisch hervor. Die Waffen seien im Besitz Bolivars und dessen Geliebter, Manuela Saenz, gewesen, so Chávez.

Ein Chávez kapituliert nicht

Nach einem gescheiterten Staatsstreich in Venezuela im Jahr 1992 sollte der damalige Oberstleutnant Chávez die verbliebenen Rebellen zum Niederlegen der Waffen aufrufen. Doch Chávez sträubte sich nach seiner Verhaftung, die Niederlage im Staatsfernsehen einzugestehen: "Kameraden, bedauerlicherweise konnten wir unsere Ziele in der Hauptstadt [Caracas] vorläufig nicht erreichen."

Chávez, der Baseballfan

Baseball ging vor: Chávez unterbrach ein Staatstreffen, als die San Franscio Giants 2010 das Finale der amerikanischen World Series gegen die Texas Rangers gewannen. Gemeinsam mit dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos griff er zum Telefon und rief den Spieler Edgar Renteria an. "Wir haben Bush's Team geschlagen", rief Chávez in den Hörer.

Königliches "Halt's Maul"

Gegenwehr auf seine verbalen Angriffe erhielt Chávez vom König von Spanien. Am Ende des Lateinamerika-Gipfels in Chile verbot Juan Carlos dem venezolanischen Präsidenten den Mund. Zuvor hatte Spaniens damaliger Premierminister Jose Zapatero Chávez aufgefordert, sich diplomatischer auszudrücken. Auf das köngliche "Halt's Maul" erwiderte Chávez schnippisch: "Warum halten Sie nicht selbst das Maul?".

Rapeinlagen und Geburtstagstanz

Im Jahr 2011 warf Chávez der USA vor, sie trage möglicherweise die Schuld an seinem Krebsleiden und dem anderer lateinamerikanischer Spitzenpolitiker. Seiner Lebensfreude schadete die schwere Krankheit offenbar nicht. Noch Wochen vor seiner ersten Chemotherapie feierte er seinen 57. Geburtstag öffentlich. Während des Fests im Jahr 2011 tanzte und sang Chávez ausgelassen auf dem Balkon des Präsidentenpalasts vor einer Menschenmenge. Schon kurz nach der Krebstherapie ging es weiter: Er rappte im Staatsfernsehen - gemeinsam mit der Sängerin Rodbexa Poleo Vidoza.

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