Horst Köhler:Von der IWF-Spitze ins Schloss Bellevue

Der voraussichtliche Nachfolger von Johannes Rau genießt hohes Ansehen über die Parteigrenzen hinweg. Der frühere Kohl-Getreue steht seit vier Jahren dem Internationalen Währungsfonds vor - dank Bundeskanzler Schröder.

Auch wenn in den frühen Morgenstunden des Donnerstag keiner der beteiligten Politiker seinen Namen offiziell in den Mund nehmen wollte - hinter den Kulissen wurde die Entscheidung für Horst Köhler als Nachfolger von Bundespräsident Johannes Rau bestätigt.

Horst Köhler: Horst Köhler

Horst Köhler

(Foto: Foto: AP)

Nach langem Ringen in der Union fiel die Wahl auf den 61-jährigen Vorsitzenden des Internationalen Währungsfonds (IWF), der bei der im Laufe des Tages geplanten Verkündung in Berlin selbst nicht anwesend sein wird. Seine außergewöhnliche Karriere in Wirtschaft und Politik führt den internationalen Finanzfachmann nun von Washington ins Berliner Schloss Bellevue.

Seinen Posten als Geschäftsführender Direktor des IWF muss Köhler dann etwas früher verlassen: Am 1. Mai 2000 hatte er die Stelle in Washington für eine Amtszeit von fünf Jahren angetreten. Köhler wurde von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) für den IWF-Spitzenposten vorgeschlagen, nachdem dessen Wunschkandidat Caio Koch-Weser wegen Widerstands der USA als Kandidat aufgeben musste.

Kohls "Sherpa" bei Weltwirtschaftsgipfeln

Obwohl Köhler seit 1981 CDU-Mitglied ist und gegenüber Altkanzler Helmut Kohl stets strikte Loyalität bewiesen hatte, wurde ihm dennoch ein hohes Maß an politischer Unabhängigkeit nachgesagt.

Um bei der IWF-Chefsuche vor den prüfenden Blicken der USA bestehen zu können, brauchte Köhler die uneingeschränkte Unterstützung Europas. Und bekam sie: Alle Staaten der EU sprachen ihm ihr Vertrauen aus. Bereits davor hatte er sich jahrelang auf dem internationalen Finanzparkett profiliert: Vor dem Wechsel zum IWF nach Washington war er zwei Jahre lang Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBRD) in London.

Dort trug er die Verantwortung für schwierige Kreditverhandlungen mit Russland und den osteuropäischen Reformstaaten. Auch als Unterhändler bei den Euro-Verhandlungen und bei Treffen der sieben führenden Industrienationen (G7) machte er sich international einen Namen.

Zehn Jahre lang engagierte sich Köhler in der Bundespolitik: 1982 kam er mit Gerhard Stoltenberg (CDU) nach Bonn, als dieser Bundesfinanzminister in der ersten Kohl-Regierung wurde. Zunächst war er Stoltenbergs Redenschreiber, dann leitete Köhler das Ministerbüro, danach verschiedene Abteilungen im Finanzministerium.

Geboren in Polen, Flucht ins Schwäbische

1990 wurde er Staatssekretär unter dem damaligen CSU-Finanzminister Theo Waigel. Dort übernahm der promovierte Wirtschaftswissenschaftler die Zuständigkeit für die Grundsatzabteilung des Ministeriums; überdies wurde er der wichtigste Berater und Unterhändler Kohls in allen Wirtschafts- und Finanzfragen und dessen "Sherpa" bei Weltwirtschaftsgipfeln und anderen Konferenzen. 1992 wechselte Köhler überraschend aus der Politik an die Spitze des deutschen Sparkassen- und Giroverbands, wofür er vornehmlich familiäre Gründe geltend machte.

Ein Wechsel an die Spree dürfte dem Vater von zwei Kindern keine Schwierigkeiten bereiten: Unzählige Umzüge prägen von Kindheit an sein Leben. Als Bauernsohn wurde er in Polen geboren, wo seine aus Rumänien stammenden Eltern während des Krieges Zuflucht gesucht hatten.

Noch vor Kriegsende floh die Familie vor den russischen Truppen nach Deutschland, lebte zunächst in Leipzig und dann im schwäbischen Ludwigsburg; er studierte in Tübingen und arbeitete für die schleswig-holsteinische Landesregierung, bevor er in die Bundespolitik und dann nach London und Washington ging.

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