Hongkong:Zu Feierlichkeit verpflichtet

Peking will Hongkonger Abgeordneten die Ämter im Stadtparlament entziehen - die vormaligen jungen Aktivisten wollten China bei ihrem Eid nicht ehren.

Von Kai Strittmatter, Peking

Der Nationale Volkskongress (NVK) in Peking hat am Montag einen Erlass verkündet, der in der Anwendung zwei frisch gewählten Hongkonger Abgeordneten den Einzug ins Hongkonger Parlament verwehrt. Der Schritt wurde im offiziell autonomen Hongkong als gravierendste Einmischung Chinas in die Politik Hongkongs seit der Rückkehr der Stadt nach China im Jahr 1997 wahrgenommen. Bürgerrechtler und Demokraten zeigten sich entsetzt, Mitglieder der Anwaltskammer kündigten für Dienstag einen Schweigemarsch durch die Stadt an. Der Schritt Pekings richtet sich gegen die im September zu Parlamentariern gewählten Aktivisten Yau Wai-ching, 25, und Sixtus Baggio Leung, 30. Sie hatten bei ihrer offiziellen Vereidigung die Eidesformel abgewandelt und den Eid statt auf China auf die "Nation Hongkong" geschworen, dazu enthüllten sie ein Banner, auf dem stand: "Hongkong ist nicht China".

Die ehemalige britische Kronkolonie gehört seit 1997 wieder zu China. Peking hatte damals den Slogan geprägt "Ein Land, zwei Systeme", und der Stadt weitgehende Autonomie für 50 weitere Jahre zugesagt. Grundlage für die Verwaltung Hongkongs und das Verhältnis zu Peking sollte das zwischen England und China ausgehandelte "Basic Law" sein, eine Art Grundgesetz für Hongkong. Der NVK in Peking hat dem Basic Law zufolge grundsätzlich das Recht auf die Interpretation strittiger Fragen, doch hatte er in all den Jahren erst viermal davon Gebrauch gemacht. Was den Eingriff diesmal besonders gravierend macht, ist die Tatsache, dass Pekings Edikt mitten in ein Hongkonger Gerichtsverfahren platzt, das den Streit um die beiden Abgeordneten eigentlich hätte klären sollen. Anders als in den Fällen zuvor auch hatten weder Hongkongs Regierung noch die Gerichte der Stadt Peking um eine Klärung angerufen. Pekings Intervention sei "im Effekt eine Aushöhlung der Unabhängigkeit der Hongkonger Justiz", urteilte Amnesty International am Montag. Maya Wang, Chinaexpertin der Organisation Human Rights Watch, sprach von "einem plumpen politischen Schritt, um Dissens auszuschalten, gerade so wie in China". Die 59-jährige Claudia Mo, Abgeordnete der Civic-Partei und Veteranin der Demokratiebewegung, befürchtet "den Anfang vom Ende von Hongkong": "Rechtsstaatlichkeit existiert hier nicht mehr."

Sixtus Baggio Leung und Yau Wai-ching waren zwei der etwas mehr als eine Handvoll junger Aktivisten, die sich während der Regenschirmrevolte vom Sommer vor zwei Jahren einen Namen gemacht hatten und im September ins Parlament gewählt wurden. 2014 waren Zorn und Frust über wachsende soziale Ungleichheit, die Einmischung Pekings und schwindende Freiheiten in Hongkong übergekocht. Hunderttausende vor allem junge Hongkonger hatten die Straßen besetzt. Hongkongs Regierung und Peking hatten die Demonstranten und ihre Forderungen damals ignoriert, in der Folge hielten auch radikalere Ideen wie die von der Selbstbestimmung oder gar Unabhängigkeit Hongkongs Einzug in den Diskurs der Aktivisten und fanden auch bei manchen Wählern Widerhall.

Das Ständige Komitee des NVK verfügte nun am Montag, Abgeordneter dürfe in Zukunft nur werden, wer die Eidesformel "komplett und feierlich" verlese. Jeder, der das "in unernster oder würdeloser Manier" tue, verliere seinen Sitz. Pekings Parteipresse hatte Leung und Yau zuvor schon mit "Eiterbeulen" und "bösartigen Tumoren" verglichen. Li Fei, der Vorsitzende des Basic-Law-Komitees in Peking, sprach am Montag von der Notwendigkeit, im Interesse der nationalen Sicherheit hart gegen Unabhängigkeitsbestrebungen vorzugehen. "Die chinesische Nation hat eine große patriotische Tradition", sagte Li Fei. "Vaterlandsverräter werden kein gutes Ende nehmen."

Pro-Independence Legislators attempt to take the oath of office

Die jungen Oppositionellen Yau Wai-ching (li.) und Sixtus Baggio Leung sorgen in Hongkongs Stadtparlament für Aufsehen - für zu viel Aufsehen, findet Peking.

(Foto: Jerome Favre/dpa)
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