Honduras:Nur das Volk kennt die Verfassung

Honduras: Sie trauen dem Wahlergebnis nicht: In Honduras protestierten Tausende gegen Präsident Hernández.

Sie trauen dem Wahlergebnis nicht: In Honduras protestierten Tausende gegen Präsident Hernández.

(Foto: Johan Ordonez/AFP)

Nach einer bizarr verlaufenden Auszählung der Wahl beansprucht der Präsident eine zweite Amtszeit - die es eigentlich nicht geben darf.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Am letzten Sonntag im November fand in Honduras eine Präsidentschaftswahl statt. Gut eine Woche später sind nun endlich alle Stimmen ausgezählt. Der konservative Staatschef Juan Orlando Hernández, 49, hat demnach knapp gewonnen und darf weiterregieren. Fragt sich bloß, ob die Honduraner ihn auch weiterregieren lassen, nach allem, was in der zurückliegenden Woche vorgefallen ist. Während die Behörden in weltrekordverdächtigem Schneckentempo die angeblich letzten Urnen auswerteten, machte eine wachsende Zahl Oppositioneller schon deutlich, dass sie den absehbaren Ausgang niemals anerkennen würden. Seit Tagen herrscht im Land des permanenten Ausnahmezustandes ein selbst dort außergewöhnliches Chaos. Barrikaden werden errichtet, Brandsätze gelegt, Einkaufszentren geplündert, Polizei und Militär gehen mit schwerem Geschütz und Tränengas dagegen vor. Mindestens 24 Menschen wurden verletzt und zwei getötet.

Wie es zu der bizarren Verzögerung bei der Auszählung kam? Die Wahlbehörden sprechen von "technischen Schwierigkeiten". Für die Demonstranten steht dagegen fest: Es wurde schlichtweg so lange gezählt, bis das Ergebnis stimmte - für Hernández. Er wäre der erste Staatschef mit zwei Amtszeiten seit der Rückkehr zur Demokratie 1982. Die Verfassung von Honduras verbietet die Wiederwahl eines Präsidenten, klar und eindeutig. Wer an diesem Artikel rüttelt, macht sich laut derselben Verfassung des Landesverrats schuldig und wird in der Regel auch so behandelt.

Als der linksgerichtete Präsident Manuel Zelaya vor acht Jahren ein Referendum über dieses Verbot abhalten wollte, wurde er beim "Pyjama-Putsch" gestürzt. Zelaya steckte im Schlafanzug, als ihn Soldaten in seinem Palast festnahmen und nach Costa Rica flogen. Das hat Hernández aber nicht davon abgehalten, erneut zu kandidieren.

Fünf Richter des Obersten Gerichtshofs, alle von ihm persönlich eingesetzt, erteilten ihm ihren Segen. Auch die Armee sah sich diesmal nicht veranlasst, die Verfassung per Putsch zu schützen. Nur eines hatte Hernández offenbar nicht kalkuliert: Dass seine verfassungswidrige Wiederwahl am Wählerwillen scheitern könnte.

Ihm treu ergebene Umfrageinstitute hatten ihm stets einen komfortablen Vorsprung prognostiziert. Es war deshalb keine allzu große Überraschung, dass er sich bereits am Wahlabend zum Sieger erklärte - noch ehe erste Hochrechnungen veröffentlicht wurden. Überraschend war eher, dass Oppositionskandidat Salvador Nasralla, 63, wenig später ebenfalls behauptete, er habe die Wahl gewonnen. Kein Ergebnis, aber zwei selbsternannte Präsidenten - in dieser Konstellation schlitterte Honduras in seine jüngste politische Krise.

Zunächst schien die Auszählung reibungslos zu funktionieren. Bereits am Morgen nach der Wahl lag ein Teilergebnis auf Basis gut der Hälfte der abgegebenen Stimmen vor. Demnach führte der Herausforderer Nasralla, dessen Mitte-links-Bündnis "Allianz gegen die Diktatur" auch vom ehemaligen Putsch-Opfer Zelaya unterstützt wird. Zunächst deutete alles auf einen unerwarteten Machtwechsel hin. Dann begannen die "technischen Schwierigkeiten". Am dritten Tag der Auszählung fiel angeblich das gesamte Computersystem aus. Außerdem waren laut der Wahlbehörde an 1031 Urnen "Ungereimtheiten" aufgetaucht. Als der Computer wieder funktionierte, lag plötzlich Hernández vorne.

Da forderte der berühmte Sportreporter und Showmaster Nasralla seine Anhänger auf, "den Sieg in den Straßen zu verteidigen". Es war ihm egal, dass er kurz zuvor schriftlich versichert hatte, die Wahl unabhängig vom Ergebnis anzuerkennen. Konkrete Beweise für systematische Manipulation konnte Nasralla nicht vorlegen. Der allemal dubiose Auszählungsverlauf stärkt aber seine These, das System Hernández sei durch und durch korrupt. Den alten und wohl auch neuen Präsidenten nennt er öffentlich "Diktator" sowie "einen der Capos des Drogenhandels".

Seine Anhänger schätzen Hernández vor allem dafür, dass er mit seiner Politik der harten Hand die Mordrate im Land zuletzt deutlich senken konnte. Sie liegt allerdings immer noch um knapp das Zehnfache über dem weltweiten Mittelwert. Und in den kommenden Tagen dürfte sie eher noch steigen.

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