Katholische Kirche:Der Beschleuniger

Die Kirche kritisiert die Eile der Ehe-für-alle-Entscheidung. Ironischerweise spielte eine katholische Runde eine wichtige Rolle bei ihrer Geburt.

Von Matthias Drobinski

Der "Kardinal-Höffner-Kreis" wurde gegründet, um der katholischen Stimme in der Politik mehr Gewicht zu geben, er vereint katholische Bundestagsabgeordnete, Wissenschaftler, Unternehmer - und er spielte offenbar eine wichtige Rolle bei der unverhofften Geburt des Ehe-für-alle-Gesetzes. Am Montag nämlich trat dort Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, und im Hintergrundgespräch mit der Kanzlerin, so berichten Teilnehmer, fragte die CDU-Abgeordnete Claudia Lücking-Michel nach der Ehe für alle. Die Kanzlerin antwortete: Sie habe ihre Probleme mit dem Begriff, aber die Gesellschaft wandle sich, und vielleicht müsse man bei einer Abstimmung es dem einzelnen Abgeordneten überlassen, wie er stimme. Zorn und Empörung seien in diesem gutkatholischen Kreis ausgeblieben, heißt es. Und so griff die Kanzlerin am Abend in der Brigitte-Talkrunde das Thema öffentlich auf.

Kardinal Marx ließ sich bis Mittwoch Zeit, ehe er das Prozedere "überstürzt" nannte

Nun ahnten weder die Kanzlerin noch die versammelten Katholiken, welche Beschleunigung das Thema bekommen würde - die Debatte wäre dann wohl anders verlaufen. Auffällig ist aber schon, dass die Kritik aus der katholischen Kirche sich vor allem auf die Eile der Entscheidung und den Begriff der Ehe für alle bezieht, ansonsten aber vorsichtig bleibt. So ließ sich der Bischofskonferenzvorsitzende und Münchner Kardinal Reinhard Marx bis zum Mittwoch Zeit, bis er erklärte, dass der Staat die traditionelle Ehe weiter schützen müsse und das Verfahren als "überstürzt" kritisierte; angeblich auf Drängen konservativer Bischofskollegen hin und nicht ohne klarzustellen, dass seine Position nicht "als Diskriminierung homosexuell veranlagter Männer und Frauen zu verstehen" sei. Das ist ziemlich weit von Papst Benedikt XVI. entfernt, der 2012 die Homo-Ehe eine Gefahr für die "Zukunft der Menschheit" nannte. Auch Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), kritisierte die "übereilte Beschlussfassung". Die im ZdK vertretenen Frauenverbände KDFB und kfd gehen da weiter: Sie sprechen sich für eine rechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaften aus.

Die evangelische Kirche hat gar keine Probleme mehr: "Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird keineswegs geschmälert", heißt es in der EKD-Stellungnahme. "Sie wird noch einmal unterstrichen."

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