Arbeiten zu Hause:Sweet Home Office

Neue Siemens-Zentrale in München, 2016

Neue Siemens-Zentrale in München: keine festen Arbeitsplätze, keine Präsenzpflicht

(Foto: Florian Peljak)

Home-Office ist immer noch die Ausnahme, doch allmählich denken die Firmen um - das ist gut, aber auch gefährlich.

Kommentar von Caspar Busse

Technisch ist das mittlerweile in vielen Berufen möglich: Dank der Digitalisierung und der modernen Kommunikationsmittel könnten viele Beschäftigte auch von der eigenen Wohnung aus arbeiten. Die Vorteile der Heimarbeit, die neudeutsch Home-Office heißt, sie sind offensichtlich. Zeitraubende Fahrten zur Arbeitsstelle fallen weg, und das, was zu tun ist, lässt sich beispielsweise besser mit den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsstätten vereinbaren. Klappt das gut, findet ein Mitarbeiter zu Hause vielleicht auch mehr Ruhe als in der Hektik des Büroalltags.

Und doch ist Heimarbeit in Deutschland noch wenig verbreitet. Nur zwölf Prozent aller abhängig Beschäftigten arbeiten hierzulande regelmäßig oder gelegentlich von zu Hause aus - ein im europäischen Vergleich sehr niedriger Wert, stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor ein paar Monaten fest. Dabei wäre das bei etwa 40 Prozent aller Beschäftigten möglich; oft aber scheitert es an den Arbeitgebern.

Von Home-Office profitieren auch die Unternehmen

Doch die Firmen denken um, und das ist gut. In der neuen Siemens-Zentrale in München etwa haben die meisten Mitarbeiter keinen festen Arbeitsplatz mehr, es gibt keine Pflicht zur Präsenz, jeder kann arbeiten, von wo aus er will. Daimler hat gerade angekündigt, dass den Arbeitnehmern nun das Recht auf flexible Arbeitszeiten eingeräumt wird, eine Anwesenheit am Arbeitsplatz ist nicht mehr grundsätzlich notwendig. Die Vereinbarung soll für etwa 100 000 Mitarbeiter, vor allem in der Verwaltung, gelten. Ähnliche Regelungen gibt es bereits bei Bosch oder bei BMW.

Das ist der richtige Weg. Denn immer mehr Menschen wollen heute zumindest die Möglichkeit zum Home-Office haben.

Die Arbeitgeber sollten darauf eingehen, denn es hilft auch ihnen: Sind die Beschäftigten zufriedener mit ihrer Arbeitszeit und ihren Arbeitsbedingungen, sind sie in der Regel auch produktiver. Zudem ringen die Unternehmen zunehmend darum, die richtigen Fachleute zu bekommen. Die Möglichkeit zur Heimarbeit kann da ein starkes Argument sein.

Gefahren durch unsichtbare Überstunden

Dabei ist es jedoch wichtig, dass betriebliche Vereinbarungen, wie jetzt bei Daimler, einen Rahmen setzen. Denn Heimarbeit birgt durchaus auch Gefahren. Die Mitarbeiter können möglicherweise deutlich mehr arbeiten als vereinbart, also unsichtbare Überstunden leisten; durch scheinbar ständige Verfügbarkeit können sie überfordert und zu einem Spielball der Unternehmen werden, die immer mehr zu immer unkonventionelleren Tageszeiten von den Beschäftigten wollen. Home-Office heißt auch, dass der persönliche Austausch wegfällt, die Mitarbeiter kommunizieren weniger miteinander, Vereinsamung kann eine Folge sein. Deshalb sollte die Heimarbeit genau geregelt sein, und zwar zwischen Mitarbeiter und Firma und nicht per Gesetz. Allgemeingültige Regeln sind in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr sinnvoll.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Arbeitnehmer. Die Möglichkeit der Heimarbeit ist ein Vertrauensvorschuss, der Mitarbeiter muss mehr Eigenverantwortung zeigen, und er muss gleichzeitig damit fertig werden, ständig erreichbar zu sein. Im Zweifel heißt das dann auch: Smartphone oder Laptop einfach mal ausschalten. Auch das will gelernt sein.

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