Holocaust:Schuldbeweis

In Detmold wurde ein früherer SS-Mann zurecht abgeurteilt.

Von Robert Probst

Sie waren alle nur Rädchen im Getriebe der Mordmaschinerie, sie taten Wachdienst, sie sahen die Krematorien rauchen. Aber eigene Schuld: nein. Am Freitag hat das Landgericht Detmold einen früheren Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz zu fünf Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, vor knapp einem Jahr hat das Landgericht Lüneburg in einem ähnlichen Fall vier Jahre Haft verhängt. Seit dem Urteil gegen den früheren Wachmann im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, im Jahr 2011 durch das Landgericht München hat sich die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass man Angeklagten, die in SS-Lagern Dienst taten, keine individuellen Straftaten mehr nachweisen muss, um sie zur Rechenschaft ziehen zu können. Das hat die deutsche Justiz jahrzehntelang anders gesehen - und das ist kein Ruhmesblatt in der an Unzulänglichkeiten reichen Aufarbeitung der NS-Zeit.

Der einstige Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, hat in seinen schwer zu ertragenden Erinnerungen die Lageraufseher kategorisiert. Die "Böswilligen" schadeten dem KZ-System ebenso wie die "Gutmütigen", schrieb er, am liebsten waren ihm die "Gewissenhaften". Diejenigen also, die den reibungslosen Ablauf des Terrors garantierten. Und denen es auch nach Jahrzehnten - selbst mit all dem historischen Wissen um den Holocaust - immer noch schwerfällt zuzugeben, dass sie Gehilfen der Massenmörder waren.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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