Holocaust-Mahnmal:Juden erwägen Boykott

Entsetzt hat der Präsident des Zentralrats der Juden auf die Absicht von Lea Rosh reagiert, den Zahn eines Opfers in eine der Stelen einzulassen. Präsidiumsmitglied Meyer sagte, die Juden müssten sich überlegen, ob sie den Ort dann überhaupt noch betreten.

Der Plan der Initiatorin des Holocaust-Mahnmals habe ihn "nicht nur überrascht, sondern entsetzt", sagte Spiegel dem Tagesspiegel. "Ich bin empört und finde das Vorgehen von Lea Rosh pietätlos." Rosh wehrte sich gegen die Kritik. Sie habe sich zuvor mit dem Architekten Peter Eisenman und einem Rabbiner abgesprochen, sagte sie. Das Mahnmal öffnet an diesem Donnerstag für das Publikum.

Paul Spiegel, Reuters

Empört über Lea Roshs Pläne: Paul Spiegel.

(Foto: Foto: Reuters)

Rosh hatte bei der Einweihung des Holocaust-Mahnmals am Dienstag angekündigt, dem Backenzahn eines unbekannten jüdischen Opfers aus dem Vernichtungslager Belzec sowie einem gelben Stoffstern, den Juden in der Nazizeit tragen mussten, einen würdigen Platz in einer der 2711 Betonstelen des Denkmals einzuräumen. Der Stern sei ihr von einer Frau in Amsterdam übergeben worden, deren Mutter in einem Vernichtungslager der Nazis umkam. Sie löse damit ein Versprechen ein, hatte Rosh betont. Nun habe sie sich erneut bei einem Rabbiner erkundigt: Aus der jüdischen Normenüberlieferung Halacha gehe hervor, dass der Zahn beerdigt und versteckt werden müsse.

"Aus jüdischer Sicht nicht akzeptabel"

Zum Streit um die geplante Geste von Rosh äußerte sich die Mahnmal-Stiftung zunächst nicht. Rosh habe noch nicht angefragt, ob der Zahn in das Denkmal aufgenommen werden kann, hieß es. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Albert Meyer, bezeichnete am Mittwoch das Vorhaben als "empörend" und aus jüdischer Sicht nicht akzeptabel. Das Mahnmal dürfe "kein Friedhof oder Reliquienschrein werden", erklärte der Gemeindevorsitzende, der auch Mitglied im Präsidiums des Zentralrats der Juden ist. "Sollte dies geschehen, so müssen wir Juden überlegen, ob wir diesen Ort überhaupt betreten können."

An diesem Donnerstag wird das Mahnmal erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Bis 10 Uhr werde der Zaun um die Gedenkstätte weggeräumt, kündigte die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas an. "Wir erwarten einen großen Ansturm, das Interesse ist enorm", sagte Stiftungssprecher Uwe Neumärker am Mittwoch. Der "Ort der Information" unter dem 19.000 Quadratmeter großen Mahnmal werde ebenfalls um 10 Uhr öffnen. Er biete rund 250 Besuchern gleichzeitig Platz. Zwischen den Betonstelen könne es erstmals am Pfingstwochenende eng werden.

Das Denkmal nahe dem Brandenburger Tor war am Dienstag nach jahrelangem Streit eröffnet worden. Mit den Worten "Es soll nun zu den Deutschen und zu der Welt sprechen" hatte Eisenman sein Mahnmal übergeben. Nach der Öffnung am Donnerstag soll das oberirdische Stelenfeld rund um die Uhr begehbar sein. Der unterirdische "Ort der Information" öffnet täglich von 10 bis 20 Uhr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: