Holocaust:Anne-Frank-Helferin Miep Gies gestorben

Lesezeit: 2 min

Die letzte Anne-Frank-Helferin Miep Gies ist tot. Dank der gebürtigen Wienerin blieb das berühmte Tagebuch erhalten - darin hat Anne Frank auch Gies' Mut beschrieben.

Im Alter von 100 Jahren ist die letzte noch lebende Helferin gestorben, die der Familie von Anne Frank Zuflucht geboten hat. Miep Gies starb nach kurzer Krankheit. Zusammen mit weiteren ehemaligen Angestellten von Annes Vater half Otto Franks ehemalige Sekretärin der jüdischen Familie, die sich 25 Monate lang in einer Wohnung vor den Nazis versteckte. Gies versorgte die Franks und andere untergetauchte Juden unter Einsatz ihres Lebens.

Vier Beschützer und ein Geretteter: Otto Frank (Mitte) mit Miep Gies (links), Bep Voskuijl, Johannes Kleiman und Victor Kugler. Die Aufnahme entstand 1945. (Foto: Foto: AP/Anne-Frank-Haus, Amsterdam)

Sie besorgte Lebensmittel, Bücher und andere Hilfen zum Überleben. Allein ihr ist es zu verdanken, dass das berühmte Tagebuch der Anne Frank der Nachwelt erhalten blieb, sie bewahrte die Notizen, die Anne von 1942 bis 1944 in der Prinsengracht 263 geschrieben hatte, vor dem Zugriff der Gestapo.

Nur Stunden nach der Verhaftung der Franks ging Gies am 4. August 1944 noch einmal in das Versteck und nahm die Aufzeichnungen an sich. Anne Frank starb Anfang März 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus - kurz vor ihrem 16. Geburtstag und nur wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Im Video: Miep Gies, die letzte Überlebende der Gruppe, die Anne Frank und ihre Familie vor den Nationalsozialisten versteckte, starb im Alter von 100 Jahren. Weitere Videos finden Sie hier

Gies behielt das Tagebuch zunächst unter Verschluss und erklärte, auch die Privatsphäre einer Jugendlichen müsse respektiert werden. Als sie es dann später gelesen hatte, sagte sie, dass sie die Aufzeichnungen vor 1945 hätte verbrennen müssen, da sie die "Helfer" belastet hätten.

Sie entschied sich für das Bewahren. Nach dem Krieg übergab Gies das Tagebuch an Anne Franks Vater Otto, der als einziges Familienmitglied überlebt hatte.

Umzug nach Amsterdam - wegen knapper Lebensmittel

Geboren wurde Miep Gies am 15. Februar 1909 als Hermine Santrouschitz in Wien. Wegen der damals herrschenden Lebensmittelknappheit in Österreich zog sie 1922 nach Amsterdam um. Ihre Gastfamilie gab ihr den Spitznamen Miep. 1933 nahm sie eine Arbeit als Büroassistentin im Gewürzhandelsunternehmen von Otto Frank an.

Nachdem sie sich 1941 geweigert hatte, einer NS-Organisation beizutreten, entging sie der drohenden Deportation nach Österreich durch die Heirat mit ihrem niederländischen Freund Jan Gies.

Im Juli 1942 begann ihr riskanter Einsatz für die Familie ihres von den Nazis bedrängten Chefs: Otto Frank bat sie, der Familie Unterschlupf zu bieten. "Ich antwortete: 'Ja, natürlich!'", erinnerte sich Miep Gies Jahre später.

"Miep schleppt wie ein Packesel"

Über die Helferin hatte Anne Frank am 11. Juli 1943 in ihr Tagebuch geschrieben: "Miep schleppt sich ab wie ein Packesel. Fast jeden Tag treibt sie irgendwo Gemüse auf und bringt es in großen Einkaufstaschen auf dem Fahrrad mit. Sie ist es auch, die jeden Samstag fünf Bücher aus der Bibliothek bringt. Sehnsüchtig warten wir immer auf den Samstag, weil dann die Bücher kommen, wie kleine Kinder auf ein Geschenk."

Gies wurde vielfach geehrt - unter anderem durch den Staat Israel als "Gerechte unter den Völkern", mit dem niederländischen Ritterorden von Oranien-Nassau sowie mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Sie lebte jahrelang zurückgezogen in ihrem Haus in der niederländischen Provinz Friesland.

Bis ins hohe Alter berichtete sie immer wieder auch bei öffentlichen Auftritten über ihre Erlebnisse mit Anne Frank und die Verfolgung der Juden in den Niederlanden durch die deutschen Besatzer.

Mieps Gies' Ehemann Jan starb 1993. Das Paar hinterlässt einen Sohn und drei Enkel.

© suedddeutsche.de/AFP/dpa/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: