Hollande nimmt zu Militärintervention Stellung:Warum die Nato in Syrien nicht eingreifen wird

Nach dem blutigen Massaker im syrischen Haula denkt der französische Präsident Hollande sogar über ein militärisches Eingreifen nach - gedrängt von einem bekannten Philosophen. Doch dass es so weit kommt, ist im Moment äußerst unwahrscheinlich.

Lilith Volkert und Hannah Beitzer

Der Philosoph gibt mal wieder den Feldherren. Bernard-Henri Lévy, französischer Vorzeige-Intellektueller, hat Präsident François Hollande öffentlich aufgefordert, sich für ein Ende des Blutvergießens in Syrien einzusetzen. "Ich weiß, Herr Präsident, dass Sie andere dringende Angelegenheiten haben", schreibt der 63-Jährige mit dem stets nur bis zur Brust zugeknöpften weißen Hemd in dem offenen Brief, der in mehreren europäischen Zeitungen erschien. "Aber was ist dringender: in Afghanistan einen vorzeitigen Rückzug vorzubereiten oder die Initiative in Syrien zu ergreifen?"

Houla massacre aftermath

Die Toten aufgereiht: Eine syrische Bürgerrechtsbewegung veröffentlichte auf ihrer Facebook-Seite dieses Foto. Es soll Opfer des Massakers in Haula zeigen. 

(Foto: dpa)

Hollande hat sofort auf das Engagement des bekannten Philosophen reagiert. In einem Interview mit dem Sender France 2 sagte der Präsident, er schließe einen Militäreinsatz in Syrien nicht aus - vorausgesetzt, es gebe ein Mandat das UN-Sicherheitsrates. BHL, wie er in Frankreich genannt wird, hatte schon Hollandes Vorgänger zu einem Eingreifen in Libyen gedrängt. Kurz darauf stellte sich Nicolas Sarkozy an die Spitze der Gaddafi-Gegner.

Starten also demnächst Nato-Bomber in Richtung Damaskus? "Es gibt kein praktikables Szenario, wie ein Einsatz in Syrien funktionieren könnte - schon gar nicht auf die Schnelle", sagt Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gegenüber SZ.de. Die einzigen, die möglicherweise zu einem kurzfristigen Einsatz von Bodentruppen fähig wären, seien die Türken. "Und dass die Türkei für die anderen Länder die Kastanien aus dem Feuer holt, halte ich für nicht vorstellbar."

Auch Nato-General a.D. Klaus Reinhardt bekräftigt im Gespräch mit SZ.de, dass es "keine Absicht der Nato" gebe, einen Syrien-Einsatz zu beginnen. Der ehemalige Oberbefehlshaber im Kosovo warnt aber vor einem "Flächenbrand" in der Region. Syrien hat mit Iran einen "Beistandspakt" unterzeichnet, wer angegriffen werde, kann mit dem Schutz des anderen rechnen. Auch wenn nicht klar sei, wie verbindlich dieses Abkommen ist, so wird laut Reinhardt die unberechenbare "Hummel Iran" im Falle eines Krieges mitmischen.

Bernard-Henri Lévy hofft mit seinem Einsatz auf eine Wiederholung des Szenarios in Libyen. Mit Unterstützung der Nato hatten Rebellen im vergangenen Jahr den damaligen Diktator Muammar al-Gaddafi gestürzt. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern: "Die syrische Armee ist besser ausgerüstet, als es die Libyens war", sagt Nahost-Extperte Wimmen. "Die Nato müsste hier mit ernstzunehmendem Widerstand rechnen." Außerdem habe es in Libyen klar verlaufende Frontlinien gegeben, die es der Nato ermöglicht hätten, eine Seite relativ einfach mit der Luftwaffe zu unterstützen. In Syrien ist das laut Wimmen nicht möglich.

Offener Brief an den russischen Präsidenten?

Auch General Reinhardt gibt zu bedenken, dass die syrische Opposition zerstritten ist und weder einen Anführer noch eine gemeinsame Position hat. Außerdem konzentrierten sich die Auseinandersetzungen auf die Städte. Mit einem Krieg aus der Luft sei es nicht getan, außerdem wäre bei einem Eingriff von außen die Zivilbevölkerung noch mehr von Kämpfen betroffen, als das ohnehin schon der Fall ist.

Francois Hollande

Muss man eine Militärintervention in Syrien in Betracht ziehen? Frankreichs Präsident François Hollande möchte sie unter bestimmten Bedingungen zumindest nicht ausschließen.

(Foto: dpa)

Und die USA? US-Stabschef Martin Dempsey hatte das Massaker in Haula in mehreren Fernsehinterviews als "einfach schrecklich, wirklich grässlich" bezeichnet und gesagt, dass es Eventualplanungen für eine Militärintervention gebe. Das Weiße Haus ließ daraufhin jedoch mitteilen, dass Dempseys Äußerungen nicht mit dem Präsidenten abgesprochen gewesen seien.

Die Regierung sei trotz des Massakers gegen militärische Operationen in dem arabischen Land. "Wir glauben, dass dies nur zu einem noch größeren Chaos, zu einem noch größeren Blutbad führen würde", sagte ein Sprecher. Es scheint tatsächlich äußerst unwahrscheinlich, dass Barack Obama nur wenige Monate vor der US-Präsidentschaftswahl im November einen Krieg im Nahen Osten unterstützen könnte, sich also zum Kriegspräsidenten in einer so unübersichtlichen Situation machen würde.

Warum also hat sich Hollande mit seiner Aussage zu einem möglichen Einsatz in Syrien so weit aus dem Fenster gelehnt? Beziehungweise: Hat er das überhaupt? "Er geht keine ernsthafte Gefahr ein, beim Wort genommen zu werden", sagt Heiko Wimmen von der SWP. Schließlich sei auch kein anderes Land bereit, Truppen nach Syrien zu schicken und ein UN-Mandat in weiter Ferne.

Demonstration von Stärke

Laut Völkerrecht ist ein Militäreinsatz nur möglich, wenn im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mindestens neun der 15 Mitglieder für ein Eingreifen stimmen. Gleichzeitig darf jedoch keines der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritannien sein Veto einlegen. Russland und China sperren sich jedoch vehement gegen einen Militäreinsatz - auch nach dem Massaker von Haula. "Beiden Ländern ist das Prinzip der Einmischung von außen zuwider - weil sie sich diese Einmischung auch selbst stets verbitten", sagt Wimmen. Er vermutet, dass Hollande vor der Parlamentswahl Mitte Juni Stärke demonstrieren will.

Vielleicht war Hollandes Äußerung auch nur eine Art offener Brief an den russischen Präsidenten Putin. Der ist kommende Woche in Paris zu Gast, auf der Tagesordnung: weitere Sanktionen gegen Syrien.

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