Höchststand seit 1945:2011 - Jahr der Kriege

In Somalia tobt ein Bürgerkrieg, der syrische Präsident bekämpft sein eigenes Volk und in Mexiko eskaliert der Kampf zwischen Polizei und Drogenkartellen - so viele Kriege wie im vergangenen Jahr gab es seit 1945 nicht mehr. Und auch für die Zukunft zeichnet das Konfliktbarometer ein düsteres Bild.

Eine Weltregion trägt Schwarz. Auf dem Konfliktbarometer 2011 ist das die Farbe des Krieges. Vor allem im Vorderen und Mittleren Osten reiht sich Krise an Krise. Aber auch Mexiko, Nigeria und Côte d'Ivoire sind auf der Karte des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) tiefschwarz eingefärbt.

Welt national HIIK neu

Die schwarzen Flecken auf der Karte bedeuten nicht, dass in den markierten Staatsgebieten überall Krieg herrscht: Auf der nationalen Weltkarte ist zum Beispiel die gesamte Fläche Ägyptens schwarz eingefärbt, obwohl die Kampfhandlungen der höchsten Intensitätsstufe nur in der Hauptstadt Kairo stattfanden. Eine kleinteiligere Ansicht der Krisenregionen in den einzelnen Ländern folgt auf der nächsten Grafik. Zum Vergrößern der Karte klicken Sie bitte in das Bild.

(Foto: HIIK)

Ein Jahr, 20 Kriege - so lautet die deprimierende Bilanz, die das HIIK jetzt vorlegte. Den Studienergebnissen zufolge ist die Zahl der Kriege 2011 auf den höchsten Stand seit 1945 gestiegen. Der bisherige Höchstwert des Konfliktbarometers lag 1993 bei 16 Kriegen. Dramatisch ist die Zunahme vor allem im Vergleich zum Vorjahr 2010, als sechs Kriege gezählt wurden.

Weltweit registrierten die Politikwissenschaftler 388 Konflikte, darunter 38, die sie als "hochgewaltsame Konflikte" bewerten. 20 dieser Konflikte erreichten die höchste Intensitätsstufe, die des Krieges.

Dabei handelt es sich überwiegend um innerstaatliche Konflikte. Besonders der Vordere und Mittlere Osten sowie Afrika sind von solchen Auseinandersetzungen betroffen: "Hier sehen wir hohes Potenzial für weitere Eskalationen", sagt Institutsvorstand Christoph Trinn.

Das HIIK unterscheidet fünf Intensitätsstufen: Disput und gewaltlose Krise verlaufen entweder völlig gewaltfrei oder enthalten höchstens Gewaltandrohungen. Im Rahmen der gewaltsamen Krisen tritt Gewalt eher vereinzelt auf. Als begrenzter Krieg oder Krieg werden hingegen Konflikte mit massivem Gewalteinsatz bezeichnet.

Dementsprechend dunkel sind die Maghrebstaaten und der Mittlere Osten auf der Weltkarte eingefärbt. Ende 2010 nimmt der Arabische Frühling in Tunesien seinen Anfang, dann schwappt der Protest auf Ägypten über. Es kommt zu blutigen Ausschreitungen zwischen Regimekritikern und Regierungstruppen. So ist der Anstieg der Kampfhandlungen auch der arabischen Protestbewegung geschuldet - und ihrem Domino-Effekt: 2011 kommt es in Jemen, Libyen und Syrien zu gewaltsamen Konflikten.

Keine Hoffnung auf Entspannung

Auch im Sudan kommt das Volk nicht zur Ruhe: Nach einem Referendum im Juli 2011 wird der Südsudan zum unabhängigen Staat erklärt - die Konflikte zwischen Norden und Süden gehen weiter. Im Südsudan entfacht nach dem Unabhängigkeitsvotum ein Krieg. Rund 1700 Menschen fallen den Kämpfen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen zum Opfer.

Welt subnational HIIK neu

Die subnationale Weltkarte führt die Krisenregionen detailliert auf. In Mexiko ist vor allem das Gebiet an der mexikanisch-amerikanischen Grenze vom Drogenkrieg betroffen. Das HIIK bestimmt anhand von fünf Punkten die Intensität der Konflikte: Die Art der eingesetzten Waffen und die Anzahl der Beteiligten wird betrachtet. Außerdem schätzt das HIIK die Folgen des Gewalteinsatzes ein. Entscheidend sind dabei die Zahl der Todesopfer, die Zahl der Flüchtlinge und das Ausmaß der Zerstörung.

(Foto: HIIK)

Hungersnot, islamischer Terror und Piraterie am Golf von Aden - das ostafrikanische Sorgenkind heißt Somalia. Die Konflikte zwischen der somalischen Regierung und militanten Gruppierungen dauern bis heute an. Nach Angaben des HIIK ist die Zahl der Binnenflüchtlinge anno 2011 um 330.000 gestiegen. Weitere 286.000 Somalier sollen in Nachbarländer geflohen sein.

Schwarz eingefärbt ist auch Mexiko. 2011 verschärfen sich die Auseinandersetzungen zwischen Drogenkartellen und der mexikanischen Regierung. Dem HIIK-Abschlussbericht zufolge haben die andauernden Konflikte die Ausmaße eines Krieges angenommen und erfassen mittlerweile nahezu alle Regionen des Landes. Besonders hart umkämpft ist Ciudad Juarez, eine Großstadt an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Sie gilt als gefährlichste Stadt der Welt.

Eine Entspannung der Konflikte stellt das HIIK angesichts ihrer Analysen nicht in Aussicht: "Die Vielzahl von Wahlen, die im Jahr 2012 vor allem auf dem afrikanischen Kontinent bevorstehen, bergen ein hohes Potential für weitere Eskalationen", sagt HIIK-Vorstands-Mitglied Natalie Hoffmann mit Blick auf den jüngsten Verlauf der Wahlen in der Elfenbeinküste und in Nigeria.

2011 war das Jahr des Wandels - und das Jahr der Gewalt. Auch 2012 könnten einige Staaten wieder Trauer tragen.

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