Hochschulen:Elite-Knirpse

Gute Universitäten brauchen gute Kindertagesstätten. Nun hat der Rechnungshof in Baden-Württemberg teure Betreuungsplätze gerügt. Dürfen die Uni-Kitas auch luxuriös sein?

Von Johann Osel

Konstanzer Knirpse haben die Qual der Wahl. Klettern, springen, rutschen, balancieren, Wasserspiele und Sandkästen, sogar eine Bobbycar-Rennstrecke - alle Bewegungsabläufe werden im Kinderhaus "Knirps und Co." an der Uni Konstanz trainiert, heißt es. Und im Gebäude: Glasfassaden, begrünte Atrien, vier Meter hohe Räume. An alles wurde gedacht für die Kinder von Professoren, Studenten und Mitarbeitern: Musikraum, Turnhalle, Werkstatt, Theaterraum, Indoor-Sandkästen. Zur Eröffnung lobte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer "dieses wunderbare Haus". Schon damals fragte sich aber mancher: Ist das hier eine Elite-Kita? Also passend zur Exzellenzinitiative, in der Konstanz Elite-Uni wurde?

In Baden-Württemberg ist nun ein kurioser Streit entbrannt, wie toll eine Kita sein darf. Jüngst hat der Rechnungshof zwei Einrichtungen gerügt. Im Konstanzer "Knirps und Co." und im "Kinder-Universum" der Ex-Elite-Uni Karlsruhe seien 50 000 Euro Baukosten je Betreuungsplatz entstanden - üblich seien 30 000. In Karlsruhe erregte etwa eine Holzspielwand mit Wippe und Wasserspiel den Unmut, sie kostet 230 000 Euro. An beiden Unis hätte man weniger üppig bauen müssen, je um eine Million Euro günstiger. Die Kitas erweckten den "Eindruck elitärer Einrichtungen, die den Maßstäben des sparsamen Bauens der öffentlichen Hand" zuwiderliefen. Das Stuttgarter Finanzministerium versprach, die Maßstäbe bei Kitas "verstärkt zu beachten".

An den Hochschulen aber fehlt die Einsicht. Die Uni Konstanz erklärt: Der Rechnungshof habe nicht beachtet, dass es teils um Krippenplätze gehe, für die man mehr Geld ausgeben dürfe; auch würden mehr Kinder betreut als laut Bericht. Und wenn man als Exzellenz-Uni um exzellentes Personal aus aller Welt werbe, müsse man eben sehr gute Bedingungen bieten, auch bei der Kita. Es sei ein besonderes pädagogisches Konzept. Die Folge: das besondere architektonische Konzept.

Ein Gutes hat der Streit - er schafft Aufmerksamkeit für das Thema Familie im Wissenschaftsbetrieb. In Karlsruhe, wo eine Sprecherin ebenfalls das Konzept mit Schwerpunkt Natur, Technik, Sport und Englisch rühmt, heißt es: Gerade bei Akademiker-Karrieren mit oft befristeten Verträgen sei Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Deutschland habe im internationalen Vergleich "Nachholbedarf".

Eine Studie des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung besagt: Nur zwei Drittel der Unis haben ein dauerhaftes Betreuungsangebot, teils mit dem Studentenwerk. Das Ziel "Auf jedem Campus eine Kita", wie es die ehemalige Bildungsministerin Annette Schavan ausgab, ist weit entfernt. Zudem decken die Angebote nicht den Bedarf: Wenn eine größere Uni 40 000 Studenten und Mitarbeiter hat, reicht selbst eine Riesenkita kaum für alle Wünsche. Dabei zeigen Umfragen, dass sich Forscherinnen - anders als Forscher - oft entweder für Wissen- oder Elternschaft entscheiden. Keine Kinder aus Angst um die Karriere. Die Statistik gibt ihnen recht: Während bei Studienabschlüssen Frauen die Mehrheit stellen, entfallen auf sie 45 Prozent der Promotionen, 30 der Habilitationen, 20 der Professuren. Viele Forscherinnen fordern hochwertige Uni-Kitas. Strittig nur, wie hochwertig sie sein dürfen.

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