Spanischer Bürgerkrieg:Eine Kugel für George Orwell

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Verfasste neben Reportagen und Essays auch die berühmten Werke "Farm der Tiere" und "1984": George Orwell (1903-1950) (Foto: AP)

Wie der britische Autor den Spanischen Bürgerkrieg in Katalonien erlebte - und vor allem überlebte.

Von Joachim Käppner

Der Schütze in der faschistischen Stellung hatte gut gezielt. Der Mann auf der anderen Frontseite, den er sorgfältig anvisierte, war ungewöhnlich hoch gewachsen, die Kugel traf ihn im Nacken; er stürzte, blutüberströmt.

Was nun geschah, ist eine der seltsamsten Paradoxien, welche die Geschichte schreiben kann. Der Schuss rettete dem Getroffenen das Leben, andernfalls hätte es zwei große Werke der Weltliteratur niemals gegeben, die zur Abrechnung mit dem Faschismus und dem Stalinismus wurden.

Stalins Getreue folterten und töteten Antifaschisten

Der Mann, der im Mai 1937 schwer verwundet in ein Feldlazarett getragen wurde, war der britische Schriftsteller George Orwell. Er hatte unwahrscheinliches Glück. Die Kugel verpasste sein Rückgrat und alle lebenswichtigen Organe. Aber man brachte ihn in ein Krankenhaus nach Barcelona.

Von sozialistischen Idealen erfüllt, war er mit seiner Frau in den Spanischen Bürgerkrieg gezogen, um der Republik gegen den Putsch des von Nazideutschland unterstützten faschistischen Generals Franco zu helfen.

Viele Idealisten taten dies, unter ihnen Martha Gellhorn, Ernest Hemingway, André Malraux. Sie versuchten die Lücke zu füllen, welche die Appeasement-Politik der Demokratien dem Faschismus gegenüber gerissen hatte.

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Vor 80 Jahren triumphiert General Franco im Spanischen Bürgerkrieg. Entscheidend für seinen Sieg war die militärische Hilfe durch Hitler und Mussolini.

London und Paris rührten keinen Finger, um der spanischen Republik und ihren meist linken Verteidigern zu helfen. So fiel Stalins Schatten auf Spanien, der die republikanischen Streitkräfte und Milizen mit Waffen und Beratern unterstützte - und seinen grausamen Geheimdienst schickte.

Orwell kämpfte in den Reihen der unorthodoxen, antistalinistischen Kommunisten, der POUM. Traditionell waren sie und die Anarchisten in Katalonien stark, an jeder Ecke Barcelonas wehten ihre Fahnen, und Orwell liebte ihre Ehrlichkeit, ihren Mut, ihre Großherzigkeit, wie er 1938 in "Homage to Catalonia" schrieb, seinem ersten großen Buch.

In Barcelona aber wartete der Schock seines Lebens auf den Verwundeten. Die stalintreuen Kommunisten waren dabei, die Republik ihrer Kontrolle zu unterwerfen, und Hauptziel ihrer Kampagne war die POUM als linke Konkurrenz.

Während die Sowjetunion die Gräuel der "Großen Säuberungen" erlebte, ließen Stalins Getreue in Barcelona Antifaschisten als angebliche Spione Francos foltern und ermorden. Die POUM wurde mit Gewalt ausgeschaltet, tagelang tobten Straßenkämpfe in der Stadt. Militärisch schwächte das die Republik gegen den Faschismus enorm.

Orwell erlebte "eine furchtbare Atmosphäre aus Verdacht und Hass, Lügen und Gerüchte gingen überall um." Das Ehepaar Orwell war gewarnt, es stand auf den Todeslisten der Stalinisten und entkam gerade noch aus Spanien. Wäre Orwell an der Front geblieben, wäre er, wie viele seiner Weggefährten, wohl in den Kellern der stalinistischen Geheimpolizei verschwunden, für immer.

In England aber wollte ihm kaum ein Linker glauben. Verleger versuchten, den Druck von "Homage to Catalonia" zu verhindern - vergeblich.

Orwell war der Erste, der das Phänomen der Fake News sezierte

Wenn man so will, war Orwell der Erste, der in seinem Katalonien-Buch das Phänomen der Fake News und alternativer Wahrheiten sezierte; der anprangerte, wie die Wahrheit gerade von jenen manipuliert wird, welche im Besitz der Wahrheit zu sein behaupten und die jeden demokratischen Dialog zurückweisen.

Seine folgenden, dystopischen Romane "Animal Farm" und "1984" gehören zu den erfolgreichsten Büchern der Geschichte, sie haben den orthodoxen Kommunismus für Millionen von Lesern entzaubert.

Katalonien aber war verloren. 1939 errichteten Francos Faschisten auch hier ihr Schreckensregime in einem verlorenen Land, das einmal die Bastion der spanischen Freiheit gewesen war.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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