Hilfe für Moldawien:Kuhmist gegen die Kapitalismuskälte

Die Landbevölkerung in Moldawien ist auf Entwicklungshilfe angewiesen. Doch deren Erfolg hängt von mehr ab als nur vom Geld.

Konrad Fischer, Chisinau

Auf dem Dorfplatz von Bestemac im Süden der Republik Moldau steht Camelia Zamfir von der rumänischen Umweltschutzorganisation "Prietinii Pamantului" (Freunde der Erde) und beobachtet gespannt, wie eine hölzerne Pferdekutsche sich langsam dem Brunnen in der Mitte des staubigen Ortsmittelpunktes nähert.

Hilfe für Moldawien: Das Idyll trügt: In Moldawien herrscht zum Teil große Armut.

Das Idyll trügt: In Moldawien herrscht zum Teil große Armut.

(Foto: Foto: Konrad Fischer)

Ein zähes Männlein steigt von der Kutsche und beginnt, die eiserne Kurbel in Bewegung zu setzen. "Ist das Wasser gut?", fragt Camelia Zamfir ihn. "Sicher", antwortet der Mann, es ist das beste weit und breit" - dieses Urteil kann kaum verwundern, verfügen die rund 1000 verstreut in einem weiten Tal lebenden Bewohner Bestemacs doch über gerade einmal vier Brunnen, aus denen sie ihr Trinkwasser beziehen.

"In vielen Dörfern Südmoldawiens mangelt es den Menschen an den grundlegenden Dingen - während die Bürgermeister zum Demokratietraining nach Amerika fliegen", sagt Zamfir. Die Umweltaktivistin, die an einem Projekt zur Verbesserung der Trinkwasserqualität arbeitet, spielt damit auf einen typischen Fall fehlgeleiteter Entwicklungshilfe an.

So startete die amerikanische Botschaft in der moldauischen Hauptstadt Chisinau im vergangenen Jahr ein Programm, in dem sie dreißig Bürgermeister für zwei Wochen in die Vereinigten Staaten einlud. Diese sollten so die Möglichkeit erhalten, Lösungen für die Probleme kommunaler Administration zu studieren. Jeder teilnehmende Bürgermeister kostete die amerikanische Regierung rund 4000 Dollar - der Bau eines neuen Brunnens in Bestemac ist für 7000 Dollar zu haben.

Wer helfen will, muss Rumänisch sprechen

Zwei solcher Brunnen will Camelia Zamfir in Bestemac und einem benachbarten Dorf errichten. Die Umweltaktivistin hat dafür Geld von einer amerikanischen Umweltstiftung eingeworben, das Projekt selbst wird in Kooperation mit lokalen Bürgergruppen durchgeführt. "Nur so kann Entwicklungshilfe funktionieren", ist Zamfir überzeugt. Gegenüber Projekten westlicher Organisationen, die vor allem durch ihren hohen Kapitaleinsatz Aufmerksamkeit erreichen, zeigt sie sich skeptisch.

"Allein durch die Bereitstellung von Infrastruktur ist keinem geholfen, die Spender müssen auch dafür sorgen, dass ihre Projekte von der lokalen Bevölkerung akzeptiert werden." Und das heißt vor allem in den ländlichen Gebieten der Republik Moldau: Wer Entwicklungshilfe leisten will, der muss Moldauisch/Rumänisch sprechen, denn die Fremdsprachenkentnisse beschränken sich hier meist auf ein paar Brocken Russisch.

Besonders wichtig werden diese Sprachkenntnisse bei Projekten, die eine aktive Beteiligung der lokalen Bevölkerung voraussetzen. So berichtet Ioana Racila, Bürgermeisterin des Projektdorfes Bestemac, von einer Hightech-Spende aus Italien an die örtliche Schule. "Zunächst haben wir uns über das Paket mit fünfzehn Computern sehr gefreut. Es wusste jedoch keiner mit den Rechnern umzugehen, so dass die Kinder sie heute nur zum Spielen verwenden."

Ähnliche Probleme sind auch Camelia Zamfir bei ihrem Trinkwasserprojekt begegnet. So sind viele der exisitierenden Brunnen im Ort erst durch den falschen Einsatz von Düngemitteln für die Menschen unbrauchbar geworden. "Der wichtigste Teil meiner Arbeit hier ist es daher, die Menschen für den richtigen Umgang mit Trinkwasser zu sensibilisieren", sagt Zamfir, während sie sich auf den Weg macht zu einem weiteren Projektdorf in den südmoldawischen Steppen nahe der Donaumündung.

Kuhmist gegen die Kapitalismuskälte

Constantin Racila, ihr Fahrer, ein Kleinbauer und Mitarbeiter einer dieser Bürgergruppen, stellt auf jeder Hügelkuppe den Motor seines Lada aus und lässt das Auto aus Sowjetzeiten den Abhang herunterrollen, um ein wenig des kostbaren Benzins zu sparen. Die Grenze zum EU-Land Rumänien ist in Sichtweite gerückt, als sie Crihana Veche erreichen, das zweite Dorf, in dem die unzureichende Trinkwasserversorgung zuletzt sogar zu vereinzelten Fällen von Typhus-Erkrankungen führte.

Hilfe für Moldawien: Moldawien braucht Entwicklungshilfe - aber die richtige.

Moldawien braucht Entwicklungshilfe - aber die richtige.

(Foto: Foto: Konrad Fischer)

"Zur Zeit der Sowjetunion war das hier ein verhältnismäßig wohlhabender Ort", berichtet Rodica Cucereanu, Bürgermeisterin des Fleckens am Grenzfluss Prut. Der Großteil der Bevölkerung arbeitete damals in einer kommunalen Fischfarm, die ihre Produkte bis weit nach Russland lieferte. Dann kam die Revolution und mit ihr die für viele moldauische Dörfer verhängnisvolle Umbruchstimmung.

In Crihana Veche zerstörten die Bewohner selbst die Gebäude und Geräte zur Fischverarbeitung - sie wollten alles hinter sich lassen, was sie mit dem Sowjetregime verbanden. Geblieben ist den meisten nur die Subsistenzwirtschaft im eigenen Garten. Zur Isolierung ihrer Häuser greifen viele Bewohner im Winter inzwischen wieder auf getrockneten Kuhmist zurück, da die Preise für Feuerholz oder Heizöl unerschwinglich geworden sind.

Das Bruttoinlandsprodukt der Republik Moldau ist heute nicht nur mit Abstand das niedrigste in ganz Europa, sondern auch niedriger als 1990. In der Entwicklungsstatistik der Vereinten Nationen landet die Binnenrepublik auf dem 111. Platz - hinter El Salvador, Jamaika und Vietnam.

Gut gemeint, aber kaum geholfen

Solche Zahlen lösen nicht nur bei westlichen Regierungen immer wieder spontane Spendierfreude aus. So entschloss sich die internationale Pfadfinderorganisation "Jamboree" bei ihrem Jahrestreffen 2007 spontan dazu, alle 80 Zelte des Jubiläumscamps zum 100-jährigen Bestehen der internationalen Pfadfindervereinigung in die Republik Moldau zu spenden, nachdem sie die miserablen Zelte der Mitstreiter aus der ehemaligen Sowjetrepublik gesehen hatten. "Über diese Geste haben wir uns zunächst sehr gefreut", sagt Silvia Strelciuc, Organisatorin der Pfadfindercamps in der Moldau.

Nicht bedacht hatten die Spender jedoch, dass der unablässige Regen in dem einwöchigen Zeltlager im Süden Englands diese in einen prekären Transportzustand versetzt hatte. Als die Zelte schließlich in Chisinau ankamen, waren viele von ihren gefault und mussten aufwändig geflickt werden.

Entsprechend ernüchtert äußert sich Silvia Strelciuc daher über den Erfolg der Aktion: "Zusammen mit den Zollgebühren wäre es am Ende günstiger gewesen, wenn wir hier neue Zelte gekauft hätten." Strelciuc hat aus dieser Erfahrung gelernt und ist zurückhaltend geworden bei der Zusammenarbeit mit Entwicklungshilfeorganisationen.

"Solche Unterstützung darf nicht bloß gut gemeint sein", sagt sie. "Entscheidend ist, was am Ende bei den Menschen ankommt." Diese Einsicht ist so richtig wie unbefriedigend - denn für die anonymen Spender in westlichen Industrieländern ist das zumeist schlichtweg nicht zu beurteilen.

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