Hessen-SPD:Furcht vor der Wiederwahl

Gegen Jürgen Walter, Carmen Everts und Silke Tesch laufen Parteiordnungsverfahren. Doch die hessischen SPD-Abweichler könnten trotzdem für den Landtag kandidieren.

Christoph Hickmann

Auch wenn die Hessen-SPD und ihr designierter Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel nach vorn blicken wollen - noch immer dreht sich die Debatte um die Abgeordneten Dagmar Metzger, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts.

Hessen-SPD: Die SPD-Abgeordneten Jürgen Walter und Carmen Everts bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am 3. November

Die SPD-Abgeordneten Jürgen Walter und Carmen Everts bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am 3. November

(Foto: Foto: AP)

Sie dreht sich vor allem darum, wie man weiter mit ihnen umgeht, nachdem sie die Wahl ihrer Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin verhindert haben.

Und die SPD nährt die Debatte noch: Auch der Bezirk Hessen-Nord hat am Donnerstagabend die Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens gegen Silke Tesch beschlossen. Der Vorstand des Bezirks Hessen-Süd hat eine solche Maßnahme gegen Everts und Walter schon Ende vergangener Woche beschlossen. Die Schreiben seien am Mittwoch abgeschickt worden, heißt es beim Bezirk, der wegen parteischädigenden Verhaltens ein Verfahren "mit dem Ziel des Ausschlusses" gegen sie beantragt und damit die Anträge aus den Untergliederungen zusammengefasst hat.

Nicht einig ist man sich in der Frage, ob die Sofortmaßnahmen bedeuten, dass die Abgeordneten nicht nochmals für den Landtag kandidieren können. Beim Bezirk Hessen-Süd verweist man darauf, dass sie von sofort an keine Parteiversammlungen mehr besuchen dürften, sich somit auch nicht bewerben könnten. Dem steht die Einschätzung gegenüber, dass Kandidaturen dennoch möglich wären - schließlich könne man auch Parteilose auf SPD-Listen antreten lassen.

Everts hält eine Kandidatur derzeit für "undenkbar"

In den Fällen von Tesch, Walter und Everts ist das wohl eine akademische Frage. Der Vorstand des Unterbezirks Groß-Gerau hat an Stelle von Everts einen anderen Kandidaten vorgeschlagen. Everts sagt, sie habe "nach den Reaktionen der Bevölkerung darüber nachgedacht", sich erneut zu bewerben. "Der Hass und die Art des Umgangs mir gegenüber erschrecken mich aber. Ich halte eine Kandidatur unter solchen Umständen nicht für denkbar", sagt sie nun. Ein "souveräner Neuanfang" sehe anders aus.

Im Fall Walter hat der Vorstand der SPD Wetterau beschlossen, dass er eine erneute Kandidatur nicht unterstützt. Die Unterbezirksvorsitzende Nina Hauer rechnet auch nicht damit, dass er sich bewirbt: "Sollte er es doch tun, gehe ich davon aus, dass er einem Gegenkandidaten unterliegen würde." In Walters Ortsverein Friedberg aber halte man "nach wie vor große Stücke auf ihn"; er genieße dort "eine hohe Loyalität und persönliche Wertschätzung". Zudem komme keines der Parteiordnungsverfahren in der Wetterau aus seinem Wahlkreis.

Im Fall von Metzger ist die Sache mit der Kandidatur nicht ganz so eindeutig; schließlich hat sie ihre Entscheidung gegen eine Linkstolerierung bereits im März verkündet und dafür in ihrem Unterbezirk teils große Unterstützung bekommen. Metzger habe um Bedenkzeit gebeten und solle sich nun bis zum Unterbezirksparteitag am Samstag erklären, sagt Michael Siebel, Landtagskollege und Mitglied im Vorstand der Darmstädter SPD.

Es liege allerdings ein Antrag vor, in dem sie aufgefordert werde, sich nicht mehr zu bewerben. "Und wenn sie kandidiert, wird sie einen Gegenkandidaten bekommen. Ich glaube nicht, dass sie dann eine Mehrheit erhält", sagt Siebel.

Eva Wenckebach hingegen, Geschäftsführerin der SPD Marburg-Biedenkopf, ist sich sicher: "Frau Tesch wird nicht noch mal aufgestellt." Zwar stehe Teschs Ortsverein Breidenbach "ganz tapfer zu ihr" - doch selbst wenn der Ortsverein sie als Kandidatin für den Landtag vorschlagen sollte, so Wenckebach, könne sie es sich "nicht vorstellen, wie Frau Tesch eine Wahlkreiskonferenz durchstehen will". Und durchkommen werde sie bei dieser Konferenz ohnehin nicht.

Auf die Plätze am Rand verwiesen

Tesch sagt, ihr Ortsverein wolle sie "gern wieder im Landtag sehen". Da die SPD aber nicht mehr ausschließe, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten, habe sie "große Zweifel, ob ich dieser Landtagsfraktion noch einmal angehören will". Sie werde sich "zum Wochenende entscheiden" - doch sie weiß um die Aussichtslosigkeit: "Ich muss die Sache letztlich meiner Partei überlassen."

In der Landtagssitzung am Mittwoch sollen Metzger, Walter, Tesch und Everts nicht auf ihren angestammten Plätzen sitzen. Mehrere SPD-Abgeordnete lehnen es ab, neben ihnen Platz zu nehmen; daher sollen sie auf Plätze am Rand der Fraktion verwiesen werden.

Schäfer-Gümbel umreißt derweil erste Schwerpunkte für den Wahlkampf: Am Donnerstag kündigte er an, im Zeichen der Wirtschaftskrise einen starken wirtschaftspolitischen Akzent zu setzen. "Krise braucht Gerechtigkeit", so umschrieb er das Grundmotiv. Zwar ging er auch auf die Themen Bildung und Energiewende ein, Kernelemente im Ypsilanti-Wahlkampf.

Er betonte aber, zur Umstellung auf erneuerbare Energien nicht ganz auf den Einsatz auch fossiler Energieträger verzichten zu wollen - sofern die Kraftwerke nach neuestem Standard arbeiteten. Es gehe um einen "Energiemix". Damit setzt er einen Kontrast zum Energiekonzept des Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer, der einem Schattenkabinett nicht mehr angehören wird.

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