Hessen:"Kurt Beck hat jede Glaubwürdigkeit verloren"

SPD-Fraktionsvize Jürgen Walter kritisiert seinen Parteichef Kurt Beck und stützt eine Kooperation mit der Linken.

Christoph Hickmann

Jürgen Walter, 39, ist der größte innerparteiliche Rivale von Andrea Ypsilanti. 2006 lieferte er sich mit ihr einen spektakulären Vorwahlkampf um die SPD-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl. Walter, damals Fraktionschef im Landtag, trat mit der Landesvorsitzenden zu Rededuellen vor allen hessischen SPD-Unterbezirken an, die dann über die Kandidatur abstimmten. Obwohl Walter am Ende die Mehrheit der Unterbezirke hinter sich hatte, unterlag er Ypsilanti äußerst knapp auf dem Landesparteitag. Danach überließ er ihr die Fraktionsspitze und ist seither im Landtag ihr Stellvertreter. Der Rechtsanwalt führt die pragmatischen Netzwerker in der Fraktion an. Mehrmals hatte er seine Bedenken gegen eine Kooperation mit der Linken geäußert.

Hessen: Parteiinterne Rivalen: Andrea Ypsilanti und Jürgen Walter.

Parteiinterne Rivalen: Andrea Ypsilanti und Jürgen Walter.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Walter, die hessische SPD hat endgültig den Weg für eine Zusammenarbeit mit der Linken freigemacht. Gehen Sie diesen Weg mit?

Jürgen Walter: Ich habe deutlich gemacht, dass ich diesen Weg für gefährlich halte und dass es mir lieber gewesen wäre, einen anderen Weg zu gehen. Man muss auch festhalten, dass der Bundesvorsitzende Kurt Beck jede Glaubwürdigkeit bei der Frage verloren hat, ob er sich mit den Stimmen der Linkspartei zum Bundeskanzler wählen lässt. Nicht einmal ich würde es ihm abnehmen, wenn er das jetzt noch verneint. Aber ich muss feststellen, dass sich vor allem der Parteirat auf Bundesebene mit einer sehr eindeutigen Mehrheit für eine Öffnung zur Linkspartei ausgesprochen hat. Deshalb haben wir heute im Landesvorstand beschlossen, dass wir in Koalitionsverhandlungen mit den Grünen zur Bildung einer Minderheitsregierung eintreten. Auch in der Landtagsfraktion gab es dagegen viele Bedenken, doch der Beschluss ist einstimmig gefasst worden.

SZ: Also auch mit Ihrer Stimme.

Walter: Wenn eine Partei sich entschieden hat, sind wir als Abgeordnete auch aufgerufen, dem zu folgen. Jetzt ist Schluss mit Versteck spielen. Es darf aber nicht bei einer stillschweigenden Tolerierung bleiben. Die größte Gefahr für die hessische Sozialdemokratie ist, dass dieses Modell schnell scheitert. Ich bin fest davon überzeugt, dass Roland Koch sich deshalb genau dieses Modell wünscht - ein Scheitern wäre die einzige Chance für ihn, doch zurückzukehren.

SZ: Also brauchen Sie eine Koalitionsvereinbarung mit der Linken.

Walter: Das ginge viel zu weit, das will auch die Linke nicht. Wir brauchen Mindestanforderungen für eine stabile Regierung - im übertragenen Sinn Sicherheitsgurte. Meine drei Punkte sind: erstens Zustimmung der Linkspartei zur Wahl von Frau Ypsilanti, zweitens Zustimmung der Linkspartei zum rot-grünen Kabinett. Hier erwarten wir vorher ein klares Signal. Drittens muss die Linkspartei den Eckpunkten für einen Haushalt 2009 zustimmen. Da müssen nicht alle Details besprochen werden, aber ohne eine solche Vereinbarung besteht die Gefahr, dass wir am Ende des Jahres bereits am Ende dieses Modells sind. Das wäre die größte anzunehmende Katastrophe für die hessische, wenn nicht für die deutsche Sozialdemokratie.

SZ: Frau Ypsilanti spricht weiter davon, als Ministerpräsidentin mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch?

Walter: Ich gehe davon aus, dass nach der Wahl von Frau Ypsilanti CDU und FDP im Landtag mit einer sehr harten, polemischen Kampagne gegen SPD und Grüne agieren werden. Zumindest für die Anfangszeit dieses Modells hege ich deshalb keinerlei Hoffnung auf eine vernünftige Zusammenarbeit.

SZ: Das heißt, es wird eine Tolerierung durch die Linke geben?

Walter: Ja, wir werden sowohl bei der Wahl als auch bei allen weiteren inhaltlichen Abstimmungen auf das Votum der Linkspartei angewiesen sein. Deshalb stelle ich ja die Forderung auf, dass es ein Mindestmaß an Grundabsprachen mit dieser Partei gibt. Andernfalls dürften wir das Wagnis nicht eingehen, weil wir uns dann völlig in die Hände der Linkspartei in Hessen oder eines Herrn Lafontaine in Berlin begeben würden.

SZ: Dass es sich um Wortbruch handelt, bestreitet auch Frau Ypsilanti nicht mehr. Wie rechtfertigen Sie ihn?

Walter: Es gibt klare Entscheidungen in der Partei, und diese Entscheidungen hat man als Abgeordneter umzusetzen. Im übrigen sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative zu dem von uns nun eingeschlagenen Weg.

SZ: Werden Sie aktiv mitarbeiten?

Walter: Ich werde im Vorfeld daran mitarbeiten, dass es einen ordentlichen Koalitionsvertrag mit den Grünen gibt, ich werde daran mitarbeiten, die Sicherheitsgurte mit der Linkspartei einzuziehen. Und ich werde selbstverständlich Andrea Ypsilanti im Parlament zur Ministerpräsidentin wählen - wie alle Abgeordneten unserer Fraktion.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: