Hessen-Debakel:"Eine Schweinerei"

Die hessische Bundestagsabgeordnete Uta Zapf ist entsetzt. Als Parteilinke hat sie Ypsilanti unterstützt. Jetzt sei die SPD in Hessen für lange Zeit weg vom Fenster.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Frau Zapf, Sie haben Frau Ypsilanti immer unterstützt. Jetzt wollen einen Tag vor der Wahl vier SPD-Abgeordnete in Hessen Ypsilanti nicht wählen. Haben Sie das kommen sehen?

Hessen-Debakel: Uta Zapf rät Jürgen Walter, mit der Fraktion gleich Landtag und Partei zu verlassen.

Uta Zapf rät Jürgen Walter, mit der Fraktion gleich Landtag und Partei zu verlassen.

(Foto: Foto: SPD)

Uta Zapf: Der eine oder andere hat schon auf dem Sonderparteitag in Fulda ein mulmiges Gefühl gehabt. Jürgen Walter hat in seiner Rede ja nicht mehr gesagt, dass er Ypsilanti wählen will. Das war für viele schon ein schlechtes Zeichen. Ich war mir noch bis zum Sonderparteitag in Fulda sicher, dass kein Mensch so eine Schweinerei machen würde wie diese vier.

sueddeutsche.de: Warum haben die vier bis zuletzt gezögert, offen zu sagen, was sie vorhaben?

Zapf: Wahrscheinlich wollten sie vorher ihre politischen Perspektiven abklären.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie?

Zapf: Ich gehe davon aus, dass sie jetzt Roland Koch und der FDP zur Mehrheit verhelfen werden.

sueddeutsche.de: Was empfinden Sie dabei?

Zapf: Ich bin völlig entsetzt. Ich könnte richtig heulen. Wir haben einen großartigen Wahlkampf gemacht. Ich habe da mit Freude meinen Beitrag geleistet. Ich hatte gehofft, eine neue sozialdemokratische Politik für Hessen könnte eine wunderbare Ausstrahlung haben auf die Politik in ganz Deutschland. In Bezug auf ökologische Erneuerung, auf die soziale Moderne, auf Bildung. Ich verstehe nicht, wie Menschen eine ganze Partei für Jahre beschädigen können, nur um ihren eigenen privaten Ehrgeiz zu befriedigen. Ich verstehe es einfach nicht.

sueddeutsche.de: Was wird jetzt aus der SPD in Hessen?

Zapf: Wir sind jetzt erst mal weg vom Fenster. Das ist ein ganz, ganz tiefer Sturz für die SPD in Hessen. Er wird eine ganz erhebliche Ausstrahlung auf die Bundespolitik und die anstehenden Wahlen haben. Am Mittwoch will ich mich von meinem Wahlkreis wieder als Kandidatin für den Bundestag nominieren lassen. Was sage ich denn den Leuten, um sie noch mal für den Wahlkampf zu motivieren? Im Moment bin ich ratlos.

sueddeutsche.de: Kann Jürgen Walter noch irgendetwas retten?

Zapf: Wenn er anständig wäre, dann müssten er und seine drei Gefolgsfrauen ihre Landtagsmandate zurückgeben. Aber ich bin im Augenblick so verzweifelt, dass ich glaube, jeder Appell in diese Richtung ist verloren. Die sind so entschlossen, sie werden im Landtag bleiben. Wenn sie nicht selbst aus der Partei austreten, dann wird es ganz sicher ein Ausschlussverfahren geben.

sueddeutsche.de: Hat Andrea Ypsilanti doch versäumt, Walter und seine Anhänger ordentlich einzubinden?

Zapf: Andrea Ypsilanti ist da kein Vorwurf zu machen. Sie hat die komplette Partei über Regionalversammlungen, über die Parteitage in alle Prozesse eingebunden. Jürgen Walter selbst war an allen Entscheidungen beteiligt. Den Koalitionsvertrag, den er jetzt kritisiert, hat er selbst mit ausgehandelt. Ich kann sein jetziges Verhalten psychologisch nicht nachvollziehen.

sueddeutsche.de: Kann es allein daran liegen, dass Jürgen Walter nicht Wirtschaftsminister werden durfte?

Zapf: Bei Jürgen Walter ist kein Mensch mehr sicher, was eigentlich in seiner Seele vorgeht. Natürlich ist es schmerzlich, wenn jemand sich auf der Siegerstraße fühlt und dann gegen Ypsilanti den Kürzeren zieht. Aber das scheint in dieser Männer-Seele so tiefe Wunden geschlagen zu haben, dass das Rachegelüst größer ist als die politische Vernunft.

sueddeutsche.de: Was wird aus Andrea Ypsilanti?

Zapf: Sie wird das jetzt alles ausbaden müssen. Die positive Stimmung, die Aufbruchsignale, die von ihr ausgegangen sind, das alles wird nicht mehr interessieren. Sie und ihre Anhänger werden ihre Köpfe dafür hinhalten müssen, dass sie es nicht geschafft hat, den Laden zusammenzuhalten.

sueddeutsche.de: Hätte es einen anderen Weg gegeben?

Zapf: Ich bin ganz sicher, dass sie den Versuch unternehmen musste, Roland Koch abzulösen.

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