Helmut Roewer im NSU-Untersuchungsausschuss:"Das ist Abschaum"

Untersuchungsausschuss zu den Morden der NSU

"Was geht Sie das an?" Der ehemalige Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, muss sich den Fragen der Abgeordneten im NSU-Untersuchungsausschuss stellen 

(Foto: dpa)

Hat er Informationen über das Neonazi-Trio zurückgehalten? Und wer ist der ominöse V-Mann "Günther"? Im NSU-Untersuchungsausschuss muss sich Helmut Roewer, Ex-Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, den Fragen der Abgeordneten stellen - und gibt anderen die Schuld.

Von Tanjev Schultz, Berlin

Kommt er überhaupt oder kommt er nicht? Helmut Roewer, der frühere Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, hat wieder einmal einen denkwürdigen Auftritt hingelegt. Erst hieß es, Roewer sei krank und könne im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags nicht als Zeuge aussagen. Er kann dann aber doch und stellt sich am Donnerstag bis in den Abend hinein den Fragen der Abgeordneten - soweit er das will.

Die Abgeordneten wüssten beispielsweise gern, was es mit dem ominösen V-Mann "Günther" auf sich hat. Roewer antwortet: "Was geht Sie das an?". Nachdem Roewer im Jahr 2000 aus seinem Amt entlassen wurde, fand man in einem Tresor Quittungen mit Zahlungen an "Günther". Peter Nocken, damals Stellvertreter Roewers, sagt vor dem Ausschuss, "Günther" sei ein Rätsel. Vermutlich sei das auch gar kein Informant gewesen.

Ein anderer Verfassungsschützer spricht, als Roewers Befragung beendet ist, von einem "Phantom". Ein Phantom freilich, das viel Geld gekostet habe. Seit Jahren wird in Thüringen über "Günther" spekuliert. Ob da Gelder veruntreut worden sind oder ein bisher unbekannter Informant entlohnt wurde? Nachweisbar war bisher nichts, und auch der NSU-Ausschuss hat das Geheimnis bisher nicht lüften können.

Die Spitzel aus der Neonazi-Szene seien "Abschaum"

Helmut Roewer nutzt seinen Auftritt gleichwohl, um sich als Fachmann für das V-Mann-Wesen zu präsentieren. "Sie machen sich, glaube ich, falsche Vorstellungen", versucht er die Parlamentarier zu belehren. Man dürfe sich das Geschäft "nicht als besonders vornehm vorstellen". Mit einem Spitzel aus der Neonazi-Szene sei ein Mitarbeiter "saufen gegangen", um Informationen zu bekommen. Das Motto: "unter Sprit gesetzt und abgeschöpft". Die angeworbenen Spitzel in der Neonazi-Szene seien keine Staatsbürger, mit denen man sich in seiner Freizeit abgeben würde, sagt Roewer. "Das ist Abschaum."

Zuvor hat Sebastian Edathy (SPD), der Vorsitzende des Ausschusses, Ausschnitte aus einem Film zeigen lassen, den eine Tarnfirma des Thüringer Verfassungsschutzes im Jahr 2000 produziert hatte. In dem Film durfte der Rechtsextremist Tino Brandt, der jahrelang als V-Mann tätig war, ohne kritische Nachfragen vor der Kamera plaudern und so tun, als lägen den Neonazis Gewalttaten völlig fern. Roewer verteidigt den Film und behauptet, er habe dazu gedient, an die Szene heranzukommen und Ton- und Bildaufnahmen von den Neonazis zu bekommen.

"Absurde Rechtfertigungstiraden"

An die drei im Jahr 1998 untergetauchten Neonazis aus Jena, die dann die Terrorgruppe NSU gebildet haben sollen, kam Roewer mit diesen Methoden freilich nicht heran. Er beteuert, sein Amt habe sich damals intensiv darum bemüht, das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu finden. Den Vorwurf von Polizisten, der Verfassungsschutz habe Informationen zurückgehalten und das Trio womöglich sogar gedeckt, weist er zurück. Angeblich versuchte Roewer sogar, eine Quelle im Umfeld der Eltern des Trios zu gewinnen, weil er hoffte, auf diese Weise die Gesuchten zu finden. Zur Platzierung einer Quelle sei es dann aber nicht gekommen.

"Die Alternative wäre gewesen, den Bettel hinzuschmeißen"

Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland mochte den Thüringer Verfassungsschützern nicht abnehmen, dass sie wirklich alle wichtigen Informationen der Polizei weitergeleitet hatten. Wieland spricht von einem desolaten Zustand im damaligen Landesamt für Verfassungsschutz. Der CDU-Politiker Clemens Binninger sagt, der Geheimdienst sei offenkundig überfordert gewesen. Der SPD-Politiker Sönke Rix spricht von "absurden Rechtfertigungstiraden" der Verfassungsschützer.

Roewer beteiligt sich an dem in Thüringen beliebten Schwarze-Peter-Spiel und verweist auf angeblich undichte Stellen bei der Polizei. Diese hätten "die Sicherheit des Landes ernsthaft gefährdet". Roewer beklagt sich aber auch wieder einmal über sein eigenes Personal, das er damals im Landesamt hatte. Er habe damit arbeiten müssen: "Die Alternative wäre gewesen, den Bettel hinzuschmeißen." Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht gewesen, wenn Roewer das rechtzeitig getan hätte.

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