Helmut Kohl über andere Spitzenpolitiker:"Korrupt", "verlogen" und "scheinheilig"

Helmut Kohl am Tegernsee

Helmut Kohl am Tegernsee: "Korrupt", "verlogen" und "scheinheilig"

(Foto: dpa)

Altkanzler Helmut Kohl urlaubt gerade am bayerischen Tegernsee. Und da holt ihn ein altes Interview mit despektierlichen Zitaten ein: Er schmähte Schäuble, nannte Joschka Fischer einen Antisemiten und Weizsäcker einen "Anpasser".

Zufrieden sitzt Helmut Kohl am Ufer des Tegernsees. Es ist ein kalter, nebliger Freitag, der frühere Kanzler hat sich einen warmen Anorak angezogen. "Es geht mir hier sehr, sehr gut", schwärmt der 83-Jährige über seinen Erholungsurlaub in der Klinik St. Hubertus in Bad Wiessee. Kohl ist zum dritten Mal in die Reha-Einrichtung gekommen. Bei seinen Aufenthalten verbinde er auf ideale Weise Urlaub mit Sport. "Hier kann man auch sehr schön sehen, wie Menschen krank kommen und gesund wieder nach Hause gehen."

Helmut Kohl wurde am Freitag von einem Mitarbeiter der Nachrichtenagentur dpa am bayerischen Tegernsee besucht. Es ging um einen Austausch von Nichtigkeiten. Hier wiedergegeben in kursiven Schriftzeichen.

Der Rollstuhl ist zum beinahe ständigen Begleiter des "Kanzlers der Einheit" geworden. Nach einer Knie-Operation war Kohl 2008 gestürzt und hatte ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Seitdem ist seine Artikulation erschwert. Öffentliche Auftritte meidet er. Von seinem früher bisweilen schroffen Wesen ist nichts übriggeblieben, schreibt der Redakteur weiter.

Doch gerade das hat Kohl am Wochenende wieder eingeholt. Via Vorabmeldung des Spiegel, dem Medienprodukt, dem er noch nie ein Interview gegeben und es laut eigener Aussage jahrzehntelang auch nicht gelesen hat. Das Nachrichtenmagazin zitiert aus einem Interview, das ein Doktorand 2002 mit ihm führte und aufzeichnete. In dem Interview äußerte sich Kohl, dem Spiegel zufolge, abfällig über zahlreiche andere Spitzenpolitiker. Und die Zitate haben es tatsächlich in sich. Selten sah man einen Spitzenpolitiker so über seine Kollegen lästern.

So sei Kohl nach eigener Darstellung bis 1998 Kanzler geblieben, weil er daran zweifelte, dass sein potentieller Nachfolger Wolfgang Schäuble die Einführung des umstrittenen Euro durchsetzen würde: "Das hätte der nicht gepackt." Seinem Parteikollegen Schäuble habe es an "Potenz" gemangelt, schreibt der Spiegel. Dabei hatte Kohl nach eigener Aussage ursprünglich Schäuble als Nachfolger vorgesehen. Allerdings sei er in der schwarz-gelben Koalition "damit weitgehend allein" gewesen. Er habe es deshalb für möglich gehalten, dass Schäuble in einer geheimen Abstimmung nicht genug Stimmen für die Kanzlermehrheit bekommen würde. Vor der Bundestagswahl 1998 hatten viele in der CDU erwartet, dass Kohl abtreten und Platz für Schäuble machen würde.

Und Kohl legte laut Spiegel in dem Interview von 2002 weiter nach: So bezeichnete er den Ex-Präsidenten Richard von Weizsäcker als einen "der größten Anpasser in der Geschichte der Republik" und die Liberale Hildegard Hamm-Brücher als "schreckliche Dame aus München, die wie eine Halbwilde durch die Gegend geifert". Der Grünen-Politiker Joschka Fischer sei "zutiefst antisemitisch", der langjährige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep "korrupt" und der Ex-Minister Burkhard Hirsch (FDP) "hinterhältig, verlogen und scheinheilig".

Aber heute sei er ja ganz anders, schreibt der dpa-Mann und setzt mit seiner einfühlsamen Reportage vom Tegernsee fort: Mit einem zufriedenen Lächeln schaut Kohl immer wieder zu seiner jungen Frau Maike Kohl-Richter auf, die den hager gewordenen Hünen von einst nicht aus den Augen lässt. Aus dem einst so mächtigen CDU-Vorsitzenden ist ein sanfter, weiser alter Mann geworden, der am liebsten noch einmal selbst Politik gestalten würde. Die Menschen würden gerne auf den Rat jener Generation hören, die den Krieg noch selbst erlebt hat.

Immer wieder schweift sein Blick ins Weite, schreibt die dpa. Er freut sich, wenn ein Schiff vorbeifährt. Mehrfach spricht der überzeugte Europäer vom Frieden. "Wenn Friede ist, ist der See so schön", schwärmt Kohl beim Blick auf das Ufer. Nach einer Viertelstunde wird es Helmut Kohl bei nur wenigen Grad über Null dann doch zu kalt im Freien. "Jetzt gehen wir", sagt er mit sanfter Stimme zu seiner Frau Maike und lässt sich mit einem letzten Blick auf den im Nebel liegenden See zurück in die Klinik fahren.

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