Haushaltsstreit in den USA:Martialisches Vokabular

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Republikaner John Boehner und Demokrat Barack Obama: Im US-Haushaltsstreit duellieren sie sich mit Kampfvokabular.

(Foto: AFP)

"Brandstifter", "Geiselnehmer", "Dschihad": Republikaner und Demokraten gehen im US-Haushaltsstreit mit derartig martialischen Begriffen aufeinander los, dass das Ganze längst an den Anti-Terror-Krieg erinnert. Ein Wörterbuch zur Budgetkrise.

Von Nicolas Richter, Washington

Obwohl sich Politik oft um Geld dreht, gelten Haushaltsfragen als wenig anschaulich und schwer vermittelbar. Im US-Budgetstreit hingegen wuchern so viele martialische Metaphern, dass die Machtprobe längst an den Anti-Terror-Krieg erinnert. Der Hintergrund: Das republikanische Abgeordnetenhaus verweigert dem demokratischen Präsidenten Barack Obama einen Haushalt, solange der an seiner Gesundheitsreform festhält. Obama sieht sich erpresst und verweigert Verhandlungen. Am 17. Oktober könnte der Staat bankrott sein. Ein Wörterbuch für die Krise.

100 Prozent

Maximum. Beschreibt die Neigung des jeweiligen Gegners, auf all seinen Forderungen zu beharren. Obama sagt, die Republikaner würden die Zahlungsunfähigkeit der USA in Kauf nehmen, wenn sie nicht 100 Prozent von dem erreichten, was sie wollten. Die Republikaner werfen Obama vor, 100 Prozent seiner Gesundheitsreform haben zu wollen. Einst hätte man sich auf 50:50 geeinigt. Kompromisse aber gelten heute besonders unter Tea-Party-Republikanern als Versagen oder Verrat.

Defund

Wortschöpfung der Republikaner, die vielen Lexika fremd ist. Sinngemäß: entgelden, oder Geld entziehen. "Defund Obamacare" war der Tea-Party-Slogan des Sommers. Bedeutet, Obamas Gesundheitsreform die staatlichen Subventionen zu entziehen. Verrät ein Strategie-Problem der Republikaner. "Sie wollen immer wegnehmen und nie addieren, immer kürzen und nie erweitern", schreibt die konservative Autorin Peggy Noonan. Klingt für Wechselwähler unattraktiv, weil knauserig.

Erpressung

Aus Sicht Obamas ein Verhaltensmuster der Republikaner im US-Kongress, die seine Regierung nur finanzieren, wenn er seine Lieblingsreform aufgibt (siehe Defund). "Wir können Erpressung nicht zur Routine machen. So funktioniert Demokratie nicht", warnt Obama, der statt Erpressung (engl.: extortion) auch den Begriff "Drohung" (engl.: threat) verwendet.

Gespräch

Mündliche Kommunikation zwischen Menschen, in diesem Fall: Politikern. Der Begriff Gespräch (engl.: conversation) wird zurzeit meist vom Anführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, John Boehner, benutzt. Boehner beteuert, er wolle Obama nicht erpressen, sondern mit ihm bloß ein ganz offenes und ehrliches G. über die enormen US-Staatsschulden führen. Boehner sagt, bisher habe jeder Präsident ein solches G. mit dem Kongress geführt.

Golf

Sport, bei dem ein Ball durch einen Park geschlagen wird. Lieblingshobby von Boehner und Obama. Ein gemeinsames Golfspiel gilt als naheliegender Rahmen für ein Gespräch beider Politiker über die enormen Staatsschulden. Boehner wartet auf eine Einladung von Obama. Obama aber will Boehner erst einladen, wenn Boehner mit seiner Erpressung aufhört und einen neuen Haushalt verabschiedet. Einstweilen spielt Obama lieber mit Freunden Golf.

U.S. President Barack Obama walks up a fairway on the back nine during a round of golf at the Farm Neck golf course in Oak Bluffs

US-Präsident Barack Obama beim Golfspielen, ohne John Boehner.

(Foto: REUTERS)

Kapitulation, bedingungslose

Einstellen der Kriegshandlungen ohne Gegenforderung. Boehner-Begriff. "Der Präsident setzt sich erst mit uns hin und redet, wenn wir bedingungslos kapitulieren", sagt Boehner. "So funktioniert Regieren nicht." Das erinnert an einen Spruch Obamas: "So funktioniert Demokratie nicht." Also: Nichts funktioniert in Washington.

Lösegeld

Finanzielle Leistung an Erpresser oder Geiselnehmer. Obama-Begriff. "Man sollte kein Lösegeld dafür zahlen müssen, dass der Kongress seine Arbeit macht", sagt er. Bedeutet, dass der Kongress schleunigst einen Haushalt verabschieden soll.

Obamacare

Wortschöpfung, die Obamas Reform (Patient Protection and Affordable Care Act) beschreibt, angelehnt an das Sozialprogramm "Medicare". Meist von den Republikanern verwendet und abfällig gemeint.

Pistole

Pistole

Wer hält wem die Pistole an den Kopf?

(Foto: dpa)

Schusswaffe. Verbreitetes Sprachbild unter Demokraten für die Erpressung durch die Republikaner. "Man verhandelt nicht, indem man dem Anderen eine Pistole an den Kopf hält, oder schlimmer, dem amerikanischen Volk eine Pistole an den Kopf hält", sagt Obama. Lässt offen, ob nur eine Pistole (engl.: gun) für alle Köpfe im Spiel ist oder rund 300 Millionen P., die aber in den USA durchaus vorhanden sind. Der Demokrat Ben Cardin fordert Boehner auf, "die Pistole sinken zu lassen". Demokraten und gemäßigte Republikaner, die sich vom rechten Tea-Party-Rand ihrer Fraktion erpresst fühlen, benutzen neben P. auch eine Fülle ähnlicher Sprachbilder. Demnach sind die Rechten "Geiselnehmer", "Brandstifter", führen sie "Dschihad", tragen "Sprengstoffwesten" oder sind Lemminge, die mit Sprengstoffwesten von der Klippe springen. Brad Wenstrup, ein republikanischer Abgeordneter und Veteran, verlangt, mit diesen Terror-Metaphern aufzuhören. Anschläge passierten im Irak, nicht aber im US-Kongress, sagt er.

Schlacht

Militärische Auseinandersetzung, Metapher für den Budgetstreit. Boehner heizt seinen Abgeordneten (oder Truppen) mit dem Bild einer "epischen Schlacht" ein. Der rechte Senator Ted Cruz vergleicht sich mit den US-Soldaten, die 1814 in Baltimore die britische Marine vertrieben haben. Der Republikaner Miller Baker aus Virginia hat gesagt, Obamacare sei so schlimm wie der Irak-Krieg.

Stein

Wurfgegenstand. Als Ziel sieht sich der Tea-Party-Senator Ted Cruz, der als Stratege der Eskalation gilt, jetzt allerdings keinen Ausweg weiß. Nur 26 Prozent der Amerikaner mögen ihn. "Wie fühlt man sich als meistgehasster Mann Amerikas?", fragte ihn Fox News. "Die Demokraten haben Steine auf mich geworfen", klagte Cruz.

Congress Still Divided As Government Shutdown Enters Third Day

Senator der Tea-Party, Ted Cruz, wird nur von 26 Prozent der Amerikaner gemocht.

(Foto: AFP)

Verstand

Fähigkeit zu begreifen und zu urteilen. In Washington derzeit wohl Mangelware. "Sie haben den Verstand verloren. Sie versuchen immer und immer wieder dasselbe", spottete der Demokrat Harry Reid, nachdem seine republikanischen Gegner zum dritten Mal in Folge ein neues Budget an die Bedingung geknüpft hatten, dass Obamacare vertagt, entgeldet oder sonstwie verdammt wird. Reid ist der Scharfmacher der Demokraten. Er hat Obama zur Kompromisslosigkeit überredet.

Xbox

Spielkonsole von Microsoft. Neue Metapher im Haushaltsstreit. In Anspielung auf die Republikaner, die Forderungen stellen, um ein Budget zu verabschieden, sagt Obama: "Man kann nicht seine Bank anrufen und sagen: Ich zahle meine Kreditrate nur, wenn Sie ein neues Auto und eine Xbox springen lassen." Twitter-Nutzer rätseln, ob Obama die Xbox erwähnte, um dem angeschlagenen Microsoft-Konzern zu helfen. Eher aber stammt der Vergleich aus Obamas Privatleben: Er hat zwei jugendliche Töchter, die sich zurzeit eher für eine Xbox interessieren als für ihren Vater. Obama geht deswegen Golfspielen, allerdings nicht mit Boehner.

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