Haushaltsrisiko Hartz:Kosmetik oder Kastration?

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Nach Hartz IV gibt der Staat mehr statt weniger für seine Arbeitslosen aus. Union und SPD streiten sich darüber, wie viel von der rot-grünen Arbeitsmarktreform übrig bleiben darf. Wo die Fronten verlaufen und wie es nun weiter geht.

Bernd Oswald

Ein ganz großer Wurf sollte sie werden, die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Der Staat sollte weniger für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit ausgeben, das war das erklärte Ziel von SPD und Grünen. Deswegen wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt zum Arbeitslosengeld II. Mit einem deutlich niedrigeren Regelsatz, dafür übernahm der Staat aber die Mietkosten.

Ein fataler Entschluss, wie sich inzwischen gezeigt hat. Die 100-prozentige Übernahme der Miet- und Heizkosten von Arbeitslosen kostet drei Mal so viel wie das alte Wohngeld. Die Einsparungen durch das niedrigere Arbeitslosengeld II waren dagegen nur marginal; unter dem Strich gab die Bundesrepublik 2005 knapp sechs Milliarden mehr für ihr Fürsorgesystem aus.

Das Mietübernahme wird dennoch nur ganz vereinzelt in Frage gestellt, das Hauptaugenmerk der Koalition liegt darauf, die ausgeuferten Kosten für das Arbeitslosengeld II (ALG II) in den Griff zu bekommen. Das wird auch in diesem Jahr deutlich teurer kommen als geplant.

Wie aus dem jüngsten Monatsbericht des Finanzministeriums hervorgeht, lagen die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in diesem Jahr bis April bereits 1,2 Milliarden Euro höher als 2005.

Hochgerechnet auf das Gesamtjahr würde Hartz IV mindestens drei Milliarden Euro teurer als veranschlagt. Dann läge der Betrag bei 28 Milliarden Euro - doppelt so viel, wie die rot-grüne Regierung Anfang 2005 erwartet hatte.

Im Finanzplan der Regierung stehen jährliche ALG II-Kosten von 20 Milliarden Euro. Es müssen also rund acht Milliarden eingespart werden.

Über ein erstes Einsparungs-Paket hat sich die große Koalition bereits verständigt. Das "Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende" sieht 70 Änderungen am Sozialgesetzbuch vor: von der 60-prozentigen ALG II-Kürzung für Bürger, die zum zweiten Mal ein Stellenangebot ausschlagen, bis zu automatisierten Datenbankabfragen, die ermitteln sollen, ob jemand zu Unrecht ALG II bezieht.

SPD blockt Kürzungen ab

Dennoch interpretieren die Koalitionäre dieses Gesetz vollkommen unterschiedlich. Während die Union es nur als ersten Schritt auf dem Weg zu einer Generalrevision der Arbeitslosenfürsorge sieht, spricht die SPD von einem Optimierungsgesetz, das die Hartz IV-Reform lediglich neu justiert.

Da durch das Fortentwicklungsgesetz bis Ende 2008 aber nur 3,5 Milliarden Euro eingespart werden, sind weitere Einsparungen an anderer Stelle nötig. Die Union hat da sehr viel mehr Phantasie entwickelt als die SPD, die bislang sämtliche Kürzungsvorschläge abblockt - vermutlich auch, weil sonst nicht mehr viel vom rot-grünen Hartz IV-Gesetz übrig bleiben würde.

Bis zum Durchbruch beim Kostenmanagement für das ALG II ist es also noch ein ganzes Stück hin. Die Koalition hat sich fürs Erste vertagt. Im Sommer soll Hartz IV laut Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem zweiten Schritt einer weiteren "grundlegenden Überholung" unterzogen werden. Auch wenn die SPD das nicht will, wird sie nicht umhin kommen, der Union andere Einsparvorschläge zu unterbreiten.

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