Haushaltskrise in Kalifornien:Das San-Quentin-Dilemma

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Gouverneur Arnold Schwarzenegger auf verzweifelter Mission: Er will den Staatshaushalt sanieren - nun sucht er Käufer für Kaliforniens berühmtestes Gefängnis.

Kathrin Haimerl

Der Moment, als Johnny Cash in San Quentin auf die Bühne tritt, hat Musikgeschichte geschrieben. Der Mann in Schwarz und seine Musiker sind am 24. Febraur 1969 sichtlich angespannt, der Saal in San Quentin, der Haftanstalt in Marin County, ist hell erleuchtet, nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein Konzert. Johnny Cash bittet die Wärter um ein Glas Wasser, die Gefangenen grölen. Mister Cash, der sich selbst mit den Abgründen des Lebens bestens auskennt, setzt an.

Malerisch gelegen: Die Haftanstalt San Quentin in Marin County in Kalifornien. (Foto: Foto: AP)

Spontan textet er einen seiner Songs um und singt: "San Quentin, you've been living hell to me", die Kamera fängt ein nachdenkliches Gesicht ein, die Insassen klatschen. Am Ende gibt es Standing Ovations für Cashs Hasstirade in der Haftanstalt.

Es ist einer der Momente, die das 157 Jahre alte Gebäude berühmt gemacht haben. San Quentin gilt als das übelste Gefängnis der USA. Bekannt ist es auch wegen seiner Insassen, darunter etwa der Serienmörder Charles Manson.

San Quentin hat mit 680 Insassen den größten Todestrakt in den USA. Die Häftlinge beschweren sich seit langem über die Zustände in dem alten Gefängnis, sogar Richter protestierten immer wieder gegen die miserablen Haftbedingungen.

Kreative Geldbeschaffung

Politiker und Aufsichtsbehörden in Washington haben die Zustände wiederholt aufs Schärfste kritisiert. Per Gerichtsbeschluss verpflichteten sie den amtierenden Gouverneur Arnold Schwarzenegger dazu, das Gefängnis zu sanieren.

Der Sanierungsplan sollte nun im Mai beginnen: Unter anderem waren Investitionen in Millionenhöhe vorgesehen, um den Todestrakt auszubauen und so gegen die Überfüllung der Zellen vorzugehen. Das allerdings kam bei den Kaliforniern denkbar schlecht an: Während die Bürger mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen hatten, sollten für die Inhaftierten Luxuszellen bereitgestellt werden, so der Tenor.

Nun hat Schwarzenegger aber offenbar eine neue Lösung für die Haftanstalt gefunden: Er will sie zum Verkauf freigeben und stattdessen mit dem Geld den maroden Staatshaushalt sanieren. Das Gefängnis steht auf einer Liste von insgesamt elf Gebäuden, die der Republikaner in den überarbeiteten Haushaltsplan aufgenommen hat, die der Bundesstaat Kalifornien also potentiell zu Geld machen könnte. Es ist eine kreative Art der Geldbeschaffung in Zeiten der Krise, die Kalifornien besonders hart getroffen hat.

Denn das Gefängnis liegt malerisch auf einer Halbinsel; eine Gegend, in die Bauunternehmer selbst inmitten der Immobilien-Krise einiges investieren würden. Schwarzenegger spekuliert nach einem Bericht des Wall Street Journal auf Einnahmen von bis zu zwei Milliarden Dollar.

In dem sonnigen Golden State sieht es derzeit bei den Staatsfinanzen düster aus: In dem überarbeiteten Haushaltsplan, der den kalifornischen Bürgern am Dienstag zur Abstimmung vorgelegt wird, heißt es, die Finanzkrise habe nun zu einem neuen Defizit in Höhe von mindestens 15 Milliarden Dollar geführt. Schwarzenegger warnt seine Bürger schon einmal vorsorglich: Sollten sich die Wähler gegen den Plan aussprechen, so könnte das Loch bis 2010 auf über 21 Milliarden Dollar anwachsen. "Die Menschen sind wütend auf die Politik", sagte er. "Aber sie sollten ihre Wut nicht an solchen Initiativen auslassen, weil sie damit nur ihren eigenen Ortschaften schaden." Erst vor wenigen Tagen hatte ein Analyst gewarnt, wenn die Wähler die Maßnahmen ablehnen, dann könnte Kalifornien bis zum Juli der Staatsbankrott drohen.

Auf Seite 2: Reaktionen auf die Pläne

Neben San Quentin stehen auf der Liste der Staatsimmobilien auch das Los Angeles Memorial Coliseum. Es ist das einzige Stadion der Welt, in dem die Olympischen Spiele zwei Mal stattgefunden haben, einmal 1932 und das zweite Mal im Jahr 1984. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Der Verkauf aller Immobilien auf der Liste könnte Schwarzenegers Plan zufolge dem Staat einiges an Einnahmen bringen. "Es gibt in Kalifornien Tausende Gebäude und Grundstücke, die einen Gegenwert von mehreren Milliarden Dollar haben", zitiert die Los Angeles Times aus dem Plan. "Kaliforniens derzeitige Finanzkrise verlangt nach neuen Wegen, wie der Staat dieses Vermögen nutzen kann."

Darüber hinaus sieht der Plan aber auch drastische Einsparungen vor. Schwarzenegger will unter anderem bei der Bildung drei Milliarden Dollar einsparen. Das Staatsbudget für Universitäten solle um eine Milliarde gekürzt werden. Auch in den Bereichen Soziales und Gesundheit plant er Einschnitte. Insgesamt droht bis zu 5000 Staatsangestellten die Entlassung.

Lediglich ein Ablenkungsmanöver?

Neben San Quentin will der Gouverneur auch die übrigen Gefängnisse des Landes zum Sparen heranziehen: Demnach will Schwarzenegger bis zu 38.000 Insassen entlassen. Dabei soll es sich zum Großteil um illegale Einwanderer handeln. Schwarzenegger plant offenbar, die Zuständigkeit für diese Immigranten von Kalifornien auf die Zentralregierung in Washington zu übertragen.

Schwarzeneggers Immobilienpläne stoßen auf kontroverse Reaktionen. So lässt das Vorhaben gleich mehrere Fragen offen: Was geschieht mit dem Todestrakt von San Quentin? Wie viel würde es kosten, ein neues Gefängnis für die Insassen zu bauen? Die Frage ist auch, ob sich etwa für ein Stadion wie das Los Angeles Memorial Coliseum ein neuer Eigentümer findet.

Die University of Southern California hat zwar einen Pachtvertrag über 25 Jahre für Football Spiele unterzeichnet. Allerdings will die Universität das Gebäude nicht als Eigentümer übernehmen. Denn Kaliforniens Verwaltung hat bereits Investitionen in Höhe von 60 Millionen Dollar für die Sitze des Stadions und für eine neue Anzeigetafel zugesagt. Schwarzenegger selbst glaubt, dass er das Stadion für insgesamt 400 Millionen Dollar verkaufen kann.

Ein Vertreter der Verwaltung des Bezirks Los Angeles bezeichnete Schwarzeneggers Pläne als Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Problem. Doch nicht überall stoßen sie auf so viel Skepsis. Die Los Angeles Times etwa zitiert einen Vertreter der Verwaltung, der die Immobilien-Pläne als durchaus realistisch einschätzt. "Die Zeiten haben sich geändert", sagte er der Zeitung.

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