Haushaltsdebatte:Seehofers bittersüße Attacke

  • Sturm von rechts, Sturm von links, Sturm aus der Mitte - die Lage ist gerade ziemlich ungemütlich für Horst Seehofer.
  • Im Bundestag muss der Innenminister von allen Seiten Kritik einstecken, äußerlich lässt er sich jedoch nichts anmerken.
  • Als er selbst spricht, reiht er Arbeitsnachweis um Arbeitsnachweis aneinander - und kommt erst zum Schluss auf den Asylstreit zu sprechen.

Von Stefan Braun, Berlin

Rein äußerlich kann Horst Seehofer schon einiges aushalten. Jedenfalls kann man am Donnerstagmorgen im Bundestag diesen Eindruck bekommen. Minutenlang prasseln aus allen möglichen Richtungen alle möglichen Attacken auf ihn ein - und der Minister bleibt trotzdem bei seinem Schlachtplan, die Kritik regungslos bis lächelnd an sich abprallen zu lassen.

Innerlich mag es in ihm brodeln und wüten; nach außen soll das keiner zu sehen bekommen. Keiner soll merken, dass ihn die Berichte über eine gewisse Genugtuung der Kanzlerin erreicht haben, eine Genugtuung, die mancher Berichterstatter schon als Häme des Kanzleramts missdeutet, weil jetzt ausgerechnet er, Seehofer, im Flüchtlingsstreit die Abkommen mit anderen Staaten aushandeln soll.

Natürlich entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Trotzdem hält sich Seehofer erst mal an seine Linie. Zu Beginn der Debatte sitzt er einfach da und verfolgt so kalt wie möglich, wie der AfD-Politiker Martin Hess von Seehofer'scher "Volksverdummung" und einer "totalen Realitätsverweigerung" der Regierung spricht, weil diese immer noch nicht bereit sei, alle deutschen Grenzen zu schließen (und Europas Freiheiten zu beerdigen).

Ungerührt lauscht er dem FDP-Haushaltsexperten Stefan Ruppert, als der kritisiert, dass CDU und CSU sich noch immer einem ordnenden Einwanderungsgesetz verweigern. Und als die Innenexpertin der Grünen, Irene Mihalic, nicht nur seine "Flüchtlingsabwehrpläne" geißelt, sondern ihm auch noch entgegenschleudert, dass "man den rechtsextremen Geist nicht bekämpft, indem man ihn selbst atmet", sitzt Seehofer immer noch bemüht regungslos in seinem Sessel.

Sturm von rechts, Sturm von links, Sturm aus der Mitte - so ungemütlich die Lage zurzeit ist, so unberührt und wettererfahren will Seehofer weiter auftreten.

Dazu passt, dass er, als er dann endlich selbst über den Haushalt seines Hauses spricht, lange Zeit so tut, als habe es keinen Streit, keine Krise, ja nicht mal Flüchtlinge je gegeben. Stattdessen schwärmt er über Tausende neue Stellen und mehr als fünf Milliarden Euro für die Sicherheitsbehörden. Das mache den Weg frei für mehr Sicherheit, und das sei nun mal die "vornehmste Aufgabe" einer Regierung und eines Innenministers.

In einem freundlich-entschlossenen Stakkato liefert er einen "Arbeitsnachweis" nach dem anderen, wie er es selbst nennt. 1650 neue Stellen fürs Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dazu eine neue Aufstellung der Führung - das seien Garantien dafür, dass das Vertrauen in diese "zentrale Migrationsbehörde" wieder wachse.

Schließlich freut sich der Minister über die Investitionen ins Bauen. Vergleichbares habe die Republik in den vergangenen vierzig Jahren überhaupt noch nicht gesehen, schwärmt Seehofer - und schwärmt dabei vor allem von sich selbst.

In Seehofer'scher Bescheidenheit spricht er vom "Haushalt der Superlative", den er da in Händen halte. Und merkt wahrscheinlich nicht mal selbst, wie irritierend das für alle klingen muss, die sich daran erinnern, dass er vor wenigen Tagen mit voller Verve zurücktreten wollte.

Erst am Ende, quasi zum Abschied, kommt Seehofer auf das Thema zu sprechen, das zum größten politischen Konfliktfeld geworden ist: der Flüchtlingspolitik. Nach "durchaus intensiven Debatten" sei es diese Woche gelungen, zu einer Verständigung zu kommen. Damit gebe es ein neues Grenzregime und die sofortige Zurückweisung der Menschen, die mit einer Einreisesperre belegt seien. "Der Spuk ist zu Ende", so der Minister, der plötzlich sogar laut wird.

Darüber hinaus widerspricht er allen, die erklären, bei den geplanten Transitzentren handele es sich um geschlossene Einrichtungen. Alle, die dort seien, könnten jederzeit wieder in alle Staaten ausreisen, nur eben nicht nach Deutschland. Und weil das europäisch abgestimmt organisiert werde, könne man von einer "echten Asylwende" sprechen.

Verbindlich soll das klingen und bleibt bis zu diesem Zeitpunkt auch im Einklang mit Angela Merkel. Dann aber dreht Seehofer ein klein wenig am eigenen Regler. Denn nun kommt er auf das zu sprechen, was ihn schon am Nachmittag in Österreich erreichen wird: die angestrebten Vereinbarungen mit anderen Staaten - und die Probleme, die sich dabei längst auftun.

Entgegen anderslautender Berichte würden das "sehr schwierige Gespräche" werden, betont Seehofer. Zudem hätten bislang nur zwei Länder ihre Bereitschaft erklärt, wirklich mitzumachen. Und dabei spiele eines, nämlich Spanien, gemessen an den Flüchtlingen, die von dort an der deutsch-österreichischen Grenze ankämen, nur eine "geringfügige Rolle".

Ob gewollt oder nicht ist das natürlich nicht nur eine Feststellung, sondern eine Spitze gegen Angela Merkel. Nicht von ungefähr hatte Merkel sich gefreut, dass Madrid mitmacht - und genau das hatte sie im Vieraugengespräch mit Seehofer auch so ausgesprochen.

Nun hätte das als bittersüße Begleitmusik im Duell mit der Kanzlerin durchaus gereicht. Doch Seehofer möchte noch etwas loswerden. Angesichts der Komplexität der Gespräche mit den anderen Ländern, so der Bundesinnenminister, seien es am Ende aller Voraussicht nach wieder die Regierungschef, die eine finale Entscheidung treffen müssten.

Das klingt nachdenklich und ist formal nur ein kleiner Hinweis. Im Binnenverhältnis zu Merkel aber ist es nichts anderes als eine böse Retourkutsche. Kaum lag der Ball im Feld von Seehofer, weil der nun "die Fachgespräche mit den Innenminister-Kollegen führen" werde, wie Merkel nach der Einigung erklärt hatte, da kickt der Bayer den Ball zurück - und lächelt zum Abschied.

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