Haushaltsdebatte im Bundestag:Merkel warnt, Opposition schimpft

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Im Bundestag stimmt Merkel die Bürger auf harte Zeiten ein. Während ihre Kritiker vehement Steuersenkungen fordern, bleibt die Kanzlerin strikt bei ihrem Nein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bürger auf harte Zeiten eingestimmt. Bei der Generalaussprache zum Haushalt 2009 sagte sie im Bundestag: "2009 wird ein Jahr schlechter Nachrichten sein." Für die jetzige weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise gebe es kein Drehbuch. Das Ausmaß der Krise könne man bislang noch nicht abschätzen. "Wir können nicht alle Entwicklungen voraussagen. Das gehört zur Wahrheit."

Der Druck nimmt zu: Jetzt hat auch Friedrich Merz und indirekt auch die EU-Kommission Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, die Steuern zu senken (Foto: Foto: dpa)

Merkel verwies darauf, dass die aktuellen Konjunkturprognosen bestenfalls ein marginales Wachstum voraussagten. So werde das Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr um 27 Milliarden Euro niedriger ausfallen als erwartet. "Wir stehen vor einer schwierigen Wegstrecke", sagte sie mit Blick auf Deutschland, Europa und die Industriestaaten weltweit.

"Außergewöhnliche Umstände erfordern besondere Maßnahmen", sagte Merkel und wies auf das Konjunkturpaket der Regierung hin. An die Adresse der Opposition gerichtet warnte sie davor, alles klein zu reden, was die Bundesregierung tue. Gebraucht werde eine "Politik des Maßes, der Mitte und der praktischen Vernunft".

Bundesregierung will Brücken bauen

Dennoch zeigte sich Merkel zuversichtlich, dass die aktuelle Wirtschafts- und Finanzmarktkrise spätestens nach dem kommenden Jahr wieder überwunden werden kann. Die Bundesregierung wolle Brücken bauen, "damit es spätestens 2010 wieder besser wird", sagte sie.

Deutschland habe schon früher große Herausforderungen gemeistert, sagte die Kanzlerin mit Blick auf die Nachkriegszeit und die Wiedervereinigung. "Deshalb werden wir es auch diesmal schaffen." Die Kanzlerin fügte hinzu: "Wenn wir auf dem Fundament aufbauen, das Deutschland stark gemacht hat, werden wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen."

Außerdem sprach sie sich erneut gegen EU-Vorgaben zur raschen Senkung der Mehrwertsteuer aus. Man müsse zunächst die "automatischen Stabilisatoren" aus dem europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt wirken lassen, sagte Merkel und fügte hinzu: "Und dann werden wir darüber hinausgehen."

Mit Blick auf das geplante EU-Konjunkturprogramm, das heute in Brüssel vorgestellt werden soll, warnte Merkel vor einem "Wettlauf der Milliarden". Sie verwies darauf, dass bereits jetzt schon Milliardenbeträge der EU nach Brüssel zurückfließen, weil sie von den einzelnen Ländern nicht verbraucht werden könnten.

Zur Forderung der EU-Kommission, mindestens ein Prozent des Bruttosozialprodukts für Konjunkturmaßnahmen einzusetzen, sagte Merkel: "Deutschland liegt absolut im Trend."

Westerwelle: "Politik der eingeschlafenen Füße"

Die Opposition warf der Regierung dagegen Versagen bei der Bekämpfung der internationalen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise vorgeworfen. "Wir brauchen keine Regierung, die vor schwierigen Zeiten warnt, wir brauchen eine Regierung, die in schwierigen Zeiten handelt", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Aus der Politik der kleinen Schritte sei "eine Politik der eingeschlafenen Füße" geworden.

Das Problem der Regierung sei, dass sie keinen wirklichen gemeinsamen Weg aus der Krise finde, sagte er unter Hinweis auf die Differenzen zwischen Union und SPD. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern müssten auch in Deutschland rasch die Steuern gesenkt werden.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Regierung vor, bislang nur "Allgemeinplätze" gegen die Krise geboten zu haben. Jetzt müsse der Mut aufgebracht werden, "Zukunft zu wagen". Mit Konsum und Wachstum könne es nicht weitergehen wie bisher. "Die Grundlagen des Industriezeitalters sind uns unterm Boden weggezogen. "

Die Brücke, die Bundeskanzlerin Merkel bauen wolle, gehe "nicht in die Zukunft". "Die geht rückwärts", sagte Könast mit Blick auf die Steuerbefreiung auch für Autos mit hohem Spritverbrauch.

Lafontaine: "Das Leben der Menschen muss planbar sein"

Der Vorsitzende der Linken im Bundestag, Oskar Lafontaine, warf der Regierung schweres Versagen bei der Bekämpfung der Finanzkrise vor. "Sie sind nicht in der Lage, diese Krise zu überwinden", sagte Lafontaine an die Adresse von Union und SPD.

Die Regierung habe mit einer langjährigen Politik der Deregulierung der Finanzmärkte, der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte die falschen Grund- und Leitsätze.

Und im internationalen Vergleich sei das nun geschnürte deutsche Konjunkturpaket gemessen am Bruttoinlandsprodukt lächerlich klein. Lafontaine beklagte eine ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland und vor allem Niedriglöhne, befristete Arbeitsverträge und Leiharbeit. "Das Leben der Menschen muss planbar sein." Die soziale Marktwirtschaft werde nicht funktionieren, wenn es in der Gesellschaft kein Gleichgewicht von Einkommen und Vermögen gebe.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Merkel im Vorfeld der Generaldebatte im Streit um Steuersenkungen unter Druck geraten ist.

Merz plädiert für Steuersenkungen

Vor der Generalaussprache war Merkel, die Steuersenkungen noch in der laufenden Wahlperiode ablehnt, immer stärker unter Druck geraten: Die CSU und die FDP hatten erneut eine rasche Entlastung der Bürger gefordert und dabei auch Mitstreiter aus der CDU gefunden - etwa durch deren Finanzexperten Friedrich Merz.

"Wir haben eine Wahlperiode der permanenten Steuererhöhung bis jetzt erlebt", sagte Merz dem Deutschlandfunk. Steuern und Abgaben müssten gesenkt werden, auch wenn die Spielräume eng seien. "Und ich würde meiner Partei raten, das nicht erst zu ändern, wenn die nächste Wahl bevorsteht."

Die EU-Kommission unterstützt indirekt Merkels Kritiker und empfiehlt den Mitgliedstaaten "umfangreiche steuerliche Anreize, um die drohende Rezession zu bremsen", wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Kommissionspräsident José Manuel Barroso will das Konzept an diesem Mittwoch vorstellen. Darin heißt es: "Vorübergehende Senkungen der Mehrwertsteuer könnten schnell eingeführt werden, um einen starken fiskalischen Impuls zu schaffen, der den Konsum stützt."

Seehofer sieht Glaubwürdigkeit der Union in Gefahr

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sieht im Streit um Steuersenkungen sogar die Glaubwürdigkeit der Union in Gefahr. "Wir hatten eine Steuerentlastung schon im Wahlprogramm 2005 versprochen", sagte der CSU-Chef dem Handelsblatt. "Sie jetzt erneut für die nächste Legislatur anzukündigen, löst zwingend die Nachfrage aus, warum wir das nicht längst in den vier Jahren unserer Regierung gemacht haben."

Seehofer wolle vermeiden, dass es wieder wie 2005 einen Endspurt im Wahlkampf mit offensichtlichen Widersprüchen gebe, sagte Seehofer. Damals habe es drei verschiedene Konzepte für eine Steuerreform gegeben. Seehofer fügte hinzu, er werde auf dem Parteitag der CDU Anfang kommender Woche "die Dinge sagen, die ich für notwendig halte. Und die sind nicht immer angenehm."

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel appellierte nach Informationen der Thüringer Allgemeinen in einem Brief an die CDU/CSU-Abgeordneten, bald Steuerentlastungen vorzunehmen. "Entscheiden Sie sich im Zweifel für das Wohl unseres Landes statt für die Ruhe in der Koalition und senken Sie noch vor der Bundestagswahl die Steuern und Abgaben", schrieb Niebel demnach.

Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, sieht dagegen keine Basis für rasche Steuersenkungen noch in dieser Legislaturperiode. Dies liege am sozialdemokratischen Koalitionspartner, der nicht zu Ausgabenkürzungen bereit sei, sagte Kampeter am Dienstag im Rundfunksender rbb.

"Wenn sie mit den Sozialdemokraten über Ausgabensenkungen beim Staat reden, dann schütteln die einfach nur verzweifelt mit dem Kopf. Das ist nicht die Stärke der großen Koalition", äußerte er. Damit blieben nur "Steuersenkungen auf Pump". Die lehne er aber als zusätzliche Belastung künftiger Generationen strikt ab.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hält Steuersenkungen für weniger effektiv als Investitionsprogramme. "Damit wird vielleicht das eine oder andere mehr gekauft, aber wir können damit weder Straßen bauen oder sonst etwas tun, was der Wirtschaft nützt", sagte er im Sender n-tv.

Aus den Ländern gibt es unterdessen weiter Widerstand gegen die Höhe ihrer Beteiligung an den geplanten Konjunkturhilfen. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) strebt ein Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag an, wie er der Berliner Zeitung sagte. "Länder und Gemeinden sind damit überfordert und werden durch das Konjunkturpaket bei der Konsolidierung ihrer Finanzen um Jahre zurückgeworfen."

© dpa/Reuters/AP/AFP/cgu/bica/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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