Haushalt:Minister der Finanzen und des Glücks

Es ist gut und richtig, dass Wolfgang Schäuble auch in den nächsten Jahren keine neuen Schulden machen will. Aber die Finanzpolitik der Bundesregierung muss ehrgeiziger sein. Gerade jetzt hätte sie die Möglichkeit dazu.

Von Cerstin Gammelin

Die große Koalition hat Glück, immer noch. Der Staat nimmt so viel Steuern ein, dass die Regierung Geld ausgeben kann, ohne neue Schulden zu machen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat nun noch einmal klargemacht, dass er den Haushalt langfristig ausgeglichen halten will. Mit diesem Ziel liegt er genau richtig - aber es ist nur die eine Aufgabe, die sich ihm und der gesamten Regierung stellt.

Ein Blick auf die Nachbarländer hilft zu verstehen, warum das Ziel so richtig ist. In der Euro-Zone ist es doch so: Die Bundesregierung ist dabei, eine gesamte Legislaturperiode lang ohne neue Schulden auszukommen. Rings um Deutschland herum aber mühen sich Regierungen vor allem damit ab, nicht mehr neue Schulden zu machen, als es der Vertrag zur Währungsunion ihnen erlaubt.

Die gute Lage der deutschen Finanzen auf die äußeren Umstände zu schieben, greift zu kurz. Denn diese gelten für alle Staaten gleichermaßen. Das billige Öl wirkt für Importeure überall wie ein kostenloses Konjunkturprogramm. Der niedrige Euro-Kurs macht im Vergleich zum Dollar alle Exportwaren aus der Euro-Zone preiswerter. Schließlich hilft die Europäische Zentralbank mit ihrer Niedrigzinspolitik nach. So wie Deutschland seine Zinszahlungen binnen weniger Jahre halbiert hat, so sinken ja auch die Ausgaben der anderen Länder für Zinsen.

Die deutschen Staatsfinanzen profitieren von der deutschen Volkswirtschaft, welche die Euro-Zone wie eine Lokomotive zieht. Die Bundesregierung ist die einzige in Europa, die Schuldenregeln einhalten und zugleich eine Flüchtlingskrise in nicht vorausgesehenem Ausmaß finanzieren kann. Es sind hier so wenige Menschen arbeitslos wie seit der Vereinigung nicht mehr. Löhne und Renten steigen real und überdurchschnittlich.

Das Ziel des ausgeglichenen Etats ist richtig - aber zu wenig

Es sei dem Bundesfinanzminister zugestanden, dass er angesichts nahender Bundestagswahlen und auch aus politischer Eitelkeit schwer der Versuchung widerstehen kann, die entspannte Haushaltslage als Erfolg seines Schaltens und Waltens darzustellen. Aber: Deutschland hat sich unter der Ägide von Schäuble nicht durch eine besonders nachhaltige Finanzpolitik hervorgetan. Die letzte große Reform in Deutschland war die Agenda 2010 von Rot-Grün. Seither leben unionsgeführte Regierungen von der Substanz und von günstigen Umständen. Doch sie verschleppen es, das Rentensystem auf die alternde Gesellschaft einzustellen oder steuerliche Ungerechtigkeiten abzuschaffen. Was sie von anderen fordern, tun sie selbst nicht.

In Ländern wie Spanien, Italien und auch Frankreich führt solches Verschleppen dazu, dass Investoren fernbleiben. Deutschland dagegen bleibt in deren Gunst. Sicher, das liegt auch daran, dass die Bundesrepublik andere entscheidende Kriterien erfüllt. Politisches System und Regierung sind stabil. Unternehmen finden hier gut ausgebildete Arbeitnehmer, Justiz und Regelwerk funktionieren.

Der gegenwärtig größte Standortvorteil allerdings ist der ausgeglichene Haushalt. Er blendet indes so stark, dass strukturelle Versäumnisse schlicht nicht sichtbar werden. Der Zauber, den er auf andere ausübt, führt dazu, dass die Bundesregierung sich entpflichtet fühlt, strukturelle Reformen anzugehen, um das Land wettbewerbsfähiger zu machen. Sobald aber auch Berlin wieder Schulden machen muss, werden die entspannten Zeiten vorbei sein. Wenn die Regierung vorsorgend Politik machen will, ist sie jetzt gefordert, den Kurswechsel in der Finanzpolitik einzuleiten. Es ist an der Zeit, eine Steuerreform anzugehen, die diejenigen entlastet, die überproportional viel zahlen. Sie wäre auch das richtige Mittel, um Investoren zu halten und neue zu gewinnen.

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