Hate Crimes:Warum Minderheiten in den USA zunehmend in Angst leben

FILE PHOTO: Community members take part in a protest to demand stop hate crime during the funeral service of Maulama Akonjee, and Uddin in the Queens borough of New York City

Demonstration gegen "hate crimes" in New York.

(Foto: REUTERS)
  • Das FBI hat einen Bericht zu "Hate Crimes" in den USA veröffentlicht.
  • 2016 stieg die Anzahl der Verbrechen erneut um fünf Prozent auf 6121 an.
  • Organisationen schätzen die tatsächlichen Zahlen um ein Vielfaches höher.

Von Beate Wild, Austin

In einer Bar in Olathe im Bundesstaat Kansas wird im Februar der 32-jährige Inder Srinivas Kuchibhotla erschossen. Der Schütze soll "verschwindet aus meinem Land" gerufen haben, bevor er abdrückte. Im Mai ersticht ein weißer Student den Afroamerikaner Richard Collins III an einer Bushaltestelle an der University of Maryland. Der Täter soll sein 23-jähriges Opfer vorher rassistisch provoziert haben. Im August wird die 32 Jahre alte Heather Heyer, die bei einer Anti-Nazi-Demo in Charlottesville in Virginia gegen Rechtsextreme protestiert, von einem Auto absichtlich angefahren und tödlich verletzt.

Das sind nur drei von insgesamt 6121 Menschen, die im vergangenen Jahr in den USA Opfer sogenannter "Hate Crimes" wurden. Die Zahlen stellen einen erneuten Anstieg um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar, wie ein vom FBI am Montag veröffentlichter Bericht über Hassverbrechen zeigt. Bereits von 2014 auf 2015 waren die Zahlen dieser Art von Verbrechen um fünf Prozent gestiegen.

Von einem "Hate Crime" sprechen die Behörden dann, wenn ein Opfer wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung ausgewählt wurde. Beleidigt der Täter das Opfer dabei rassistisch, gilt das etwa als eindeutiges Indiz für ein Hassverbrechen. Aber nicht nur Körperverletzung und Totschlag können als "Hate Crimes" eingestuft werden, auch Vandalismus oder Nazi-Schmierereien zählen dazu.

Terrorakte, wie der vom sogenannten "Islamischen Staat" für sich reklamierte Anschlag auf den LGBT-Nachtclub "Pulse" in Orlando, Florida, mit 49 Opfern, sind hingegen trotz einer Hassverbrechens-Komponente nicht mit berücksichtigt.

Neun Menschen aus Hass ermordet

Die Zahlen vom FBI zeigen, dass in 3489 Fällen (57,5 Prozent) die Verbrechen rassistisch motiviert waren - dabei waren die Hälfte der Opfer Afroamerikaner. In 21 Prozent der Fälle handelte der Täter aus religiösen Gründen, Opfer waren hauptsächlich Juden und Muslime. Und in 17,7 Prozent der Fälle war das Motiv sexuelle Orientierung: Der Täter attackierte das Opfer, weil es lesbisch, schwul, bisexuell oder Transgender war. 46 Prozent der Angreifer waren laut FBI-Report weiße, etwa ein Viertel schwarze Amerikaner.

Aus Hass sogar ermordet wurden laut den aktuellen FBI-Zahlen in 2016 insgesamt neun Menschen. Srinivas Kuchibhotla, Richard Collins und Heather Heyer, von denen weiter oben die Rede ist, sind Todesopfer aus dem aktuellen Jahr 2017.

Minderheiten in den USA fühlen sich zunehmend nicht mehr sicher. Dass die Betroffenen mit ihrem Angstgefühl richtig liegen, bestätigt nun der FBI-Bericht. Viele Vertreter von Minderheiten zeigten sich besorgt über die feindselige Atmosphäre in den USA. Das Council on American-Islamic Relations (CAIR) sagte am Montag, der Report zeige, dass "alle Amerikaner gegen die wachsende Intoleranz aufstehen" müssten.

Nicht alle "Hate Crimes" werden als solche registriert

Jonathan A. Greenblatt von der Anti-Defamation League erklärte in einer Stellungnahme: "Es ist zutiefst verstörend, zu sehen, dass die 'Hate Crimes' bereits im zweiten Jahr in Folge ansteigen." Hassverbrechen würden nicht nur das Opfer attackieren, sondern "die gesamte Community des Opfers isolieren". Auch Justizminister Jeff Sessions sagte nach Veröffentlichung des Berichts: "Keine Person sollte Angst haben, gewalttätig attackiert zu werden für das, was sie ist, was sie glaubt oder anbetet."

Das Southern Poverty Law Center (SPLC), eine Organisation, die Hass-Gruppen beobachtet, glaubt jedoch, dass die Dunkelziffer an "Hate Crimes" wesentlich größer ist als die vom FBI veröffentlichten Fälle. 88 Prozent der Ermittlungsbehörden hätten keine Hassverbrechen in ihrem Bezirk gemeldet, heißt es, was daran liege, dass die Zahlen nicht vollständig und korrekt erfasst würden. Im Vergleich zum FBI-Bericht schätzt etwa das Büro für Justizstatistik die Zahl der tatsächlichen Opfer von Hassverbrechen um ein 40-Faches höher.

Laut SPLC ist unter anderem der aggressive Wahlkampf von Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr für den Anstieg der "Hate Crimes" verantwortlich. Trump selbst hätte seine Unterstützer bei seinen Reden aufgewiegelt, schreibt die Organisation auf ihrer Website.

Minderheiten fühlen sich nicht mehr sicher

Auch der damalige FBI-Chef James Comey sagte schon im Mai, um Hassverbrechen besser bekämpfen zu können, müssten die Behörden die Vorfälle exakter erfassen. "'Hate Crimes' sind anders als andere Verbrechen", erklärte Comey damals, "sie treffen direkt ins Herz der Identität des Opfers." Verlust von Vertrauen, Würde und im schlimmsten Fall des Lebens seien die Folgen.

Sunayana Dumala, die Witwe des Inders, der in der Bar in Kansas erschossen wurde, verlor nach dem Tod ihres Mannes ihre Aufenthaltsgenehmigung in den USA, da diese an ihren Ehemann geknüpft war. Mit Hilfe des republikanischen Kongressabgeordneten Kevin Yoder, in dessen Wahlbezirk der Mord geschah, hat sie nun ein temporäres Visum für ein Jahr bekommen, um weiter ihrer Arbeit nachgehen zu können. In den USA fühlt sie sich seither jedoch nicht mehr sicher. Minderheiten, sagt Dumala, leben in jüngster Zeit zunehmend in großer Angst.

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