Hassposting gegen Holocaust-Überlebende:"Eine riesige Sauerei!"

Esther Bejarano in ihrer Wohnung in Hamburg während eines SZ-Interviews im Jahre 2015.

Esther Bejarano in ihrer Wohnung in Hamburg.

(Foto: Kevin McElvaney/Derkevin.com)

Esther Bejarano überlebte Auschwitz, nun wurde sie bei Facebook beleidigt. Ein Gespräch über Internet-Hetze, Flüchtlinge und Erwartungen an Angela Merkel.

Interview von Oliver Das Gupta

Esther Bejarano wurde 1924 als Esther Loewy in Saarlouis in eine jüdische Familie hineingeboren. Viele ihrer Verwandten wurden in der NS-Zeit ermordet. Als Teenager musste sie auf Geheiß der SS im KZ Auschwitz-Birkenau mit einem Mädchenorchester vor Menschen musizieren, die kurz danach vergast wurden. Bejarano überlebte die Shoa und geht noch heute mit der Rap-Band Microphone Mafia auf Tour. Nun wurde bekannt, dass sie wegen eines Kommentars im Internet einen Mann angezeigt hat.

SZ: Frau Bejarano, Sie haben Anzeige erstattet wegen eines Postings im Internet. Was ist passiert?

Esther Bejarano: Bei Facebook hat jemand furchtbare Sachen über mich geschrieben. Etwa, ich sei im Zweiten Weltkrieg Täterin gewesen und hätte mit den Nazis kollaboriert. Das ist eine riesige Sauerei!

Ihre Eltern und andere Familienmitglieder wurden vom NS-Regime ermordet. Sie selbst haben das Vernichtungslager Auschwitz überlebt.

Deswegen ist diese Beleidigung besonders niederträchtig.

Wie kamen Sie auf das Posting?

Ein Mitglied meiner Band Microphone Mafia hat es gelesen und mir dann gezeigt. Mir war schnell klar, dass ich mir das nicht gefallen lassen kann. Offenbar hat der Mann das geschrieben, nachdem wir einen Auftritt in Fulda hatten.

War er auf dem Konzert?

Möglich ist das, denn er kommt aus Fulda. Mir ist wichtig, dass der Mann vor Gericht kommt und bestraft wird. Es geht hier nicht nur um mich als Holocaust-Überlebende. Sondern auch um Menschenfeindlichkeit generell. Im Internet und auf den Straßen wird gegen Muslime und nun besonders gegen Flüchtlinge gehetzt.

Es gibt einige Bewegungen, die Stimmung machen. Auch Pegida.

Auch die meine ich, ja.

Pegida sagt, sie sei ganz und gar nicht antisemitisch. Nehmen Sie denen das ab?

Nee, überhaupt nicht. Das ist nur ein Deckmäntelchen, damit sie besser gegen Muslime hetzen können. Pegida, die NPD und andere nazistische Organisationen fischen alle im selben Teich. Was früher die Juden waren, sind jetzt eben die Muslime. Die Bundesregierung muss entschieden agieren, bevor das Klima in diesem Land völlig vergiftet ist: Der Staat muss Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen und endlich eine konstruktive Flüchtlingspolitik machen. Wie Frau Merkel und ihre Regierung bislang damit umgeht, ist eine Katastrophe.

Es kommen immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland, bis zu 800 000 sollen es dieses Jahr werden. Sollte die Bundesrepublik die Menschen aufnehmen?

Wer in seiner bisherigen Heimat verfolgt wird - und das werden Sinti und Roma in Osteuropa übrigens oft -, der sollte in Deutschland die Chance haben, Asyl zu bekommen. Es geht doch immer um Menschen. Und Menschen sollte man doch menschlich behandeln, nicht wahr? Aber so viele Leute handeln so unmenschlich. Ich habe das Gefühl, dass es immer schlimmer wird.

Sie klingen traurig, Frau Bejarano.

Ach, ich muss wegen der Flüchtlinge in der letzten Zeit wieder so oft an die NS-Zeit denken, als es gegen uns Juden ging. Meine Schwester und ihr Mann waren auch Flüchtlinge, sie wollten über die grüne Grenze in die Schweiz, wo sie in Sicherheit gewesen wären. Doch die Schweizer schickten sie zurück nach Hitler-Deutschland. Dort wurden sie sofort erschossen.

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