Hartz-IV-Reform:"Entsetzt über so viel Dilettantismus"

Überraschend stocken die Verhandlungen zur Hartz-IV-Reform. Die Gespräche im Vermittlungsausschuss sind in der Nacht abgebrochen worden. SPD-Unterhändlerin Schwesig geht Arbeitsministerin von der Leyen frontal an.

Der schier endlose Streit über die Hartz-IV-Reform geht weiter: Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat trotz eines sechsstündigen Verhandlungsmarathons in der Nacht zum Mitwoch überraschend keine Einigung erzielt und sich vertagt. Die Unterbrechung sei auf Wunsch der Unionsseite geschehen, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Die Beratungen sollen nun am Vormittag in eine neue Runde gehen.

Bund und Laender erzielen Einigung bei Hartz-Reform

Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (li.) fährt schwere Geschützte gegen Ursula von der Leyen auf.

(Foto: dapd)

Grund für die erneute Verzögerung war ein Streit zwischen Bund und Ländern über die Erstattung der Kosten für das Bildungspaket für arme Kinder. Die Länder pochten darauf, den Kommunen ihre Ausgaben möglichst schnell zu erstatten. Der Bund wollte sich dafür mehr Zeit lassen.

Die Verhandlungsführerin der SPD, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig, äußerte sich enttäuscht. "Wir haben heute den Offenbarungseid der Bundesarbeitsministerin erlebt. Obwohl wir uns am Sonntag in allen Punkten einig waren, hat Frau von der Leyen heute keine ordentlichen Gesetzesvorschläge vorgelegt, sodass die Länder nicht zustimmen können." Sie fügte an: "Durch die Hintertür sollten wieder die Kommunen über den Tisch gezogen werden. Ich bin einfach nur noch entsetzt über so viel Dilettantismus im Bundesarbeitsministerium."

In einer Verhandlungsrunde in der Nacht zum Montag hatten Union und FDP mit der SPD vereinbart, dass zur Umsetzung des Bildungspakets für 2,3 Millionen arme Kinder die Kommunen bis 2013 jährlich weitere 400 Millionen Euro erhalten, um Schulsozialarbeit oder Mittagessen in Horten zu finanzieren. Danach will der Bund die Kosten für die Grundsicherung komplett übernehmen. Ihre Zuschüsse für Schulmaterial, Freizeitaktivitäten oder Nachhilfe rechnen die Kommunen dann jährlich beim Bund ab. Gestritten wird nun darüber, wann sie genau das Geld bekommen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Peter Altmaier (CDU) sagte, es seien nun eine Reihe technischer Fragen geklärt. "Wir sind jetzt am ungefähr vorletzten Punkt angekommen. Da brauchen wir noch einige Zeit, um technische Details zu klären, auch im Hinblick auf die Wünsche der Länder." Deswegen sei die Sitzung unterbrochen. "Ich hoffe nach wie vor, dass wir so zeitig fertig werden, dass wir die Sitzungen von Bundestag und Bundesrat am Freitag erreichen."

Am Freitag soll nach den bisherigen Plänen im Parlament und in der Länderkammer abschließend über die Reform beraten werden. Nach dem Kompromiss sollen die Regelsätze für die 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger schrittweise um acht Euro und die Leistungen des Bildungspakets für Kinder auf 1,6 Milliarden Euro steigen.

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