Hartmut Möllring:Nein in allen Schattierungen

Im Tarifstreit mit den Ärzten profiliert sich der Verhandlungsführer der Länder als kompromissloser Sparer, den eines nicht zu treiben scheint: Einigungswille

Nina Bovensiepen

Es gibt unpassende Momente dafür, ein Bier zu bestellen. Die Erfahrung hat Hartmut Möllring erst neulich gemacht. Im Kongresshotel am Templiner See in Potsdam war das. Der niedersächsische Finanzminister hatte dort gerade einen Kompromiss im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes ausgehandelt, über den die Gewerkschaft aber noch beriet.

Hartmut Möllring: Gesprächsbereit, aber unnachgiebig: Hartmut Möllring

Gesprächsbereit, aber unnachgiebig: Hartmut Möllring

(Foto: Foto: ddp)

Statt das abzuwarten, setzte sich Möllring vor der Journalistenhorde an die Bar in der Hotellobby, bestellte Bier und zündete sich eine Zigarre an. In dem Moment kam Verdi-Chef Frank Bsirske gelaufen, um noch ein Detail zu klären, zog Möllring vor die Tür, wo die Fotografen dann diese Bilder schossen: der aufgeregte Gewerkschaftschef mit dem coolen Arbeitgebervertreter. Der eine mit den Armen gestikulierend, der andere mit qualmender Zigarre in der Hand.

Wer will, findet in den Fotos alle Klischees bestätigt, die über den obersten Verhandler der Bundesländer in den Tarifverhandlungen derzeit kursieren. Ein Sturkopf ohne Taktgefühl und Kompromissbereitschaft sei Möllring, heißt es. Ein harter Hund, der mit eisernem Sparwillen erst Verdi das Tarifdiktat aufzwingen wollte und nun die Ärztegewerkschaft Marburger Bund auszutricksen versuche.

Wie schon bei den Verhandlungen mit Bsirske heißt es jetzt über die verhakten Gespräche mit dem Medizinervertreter Frank Ulrich Montgomery, hier prallten zwei Hardliner aufeinander, die den Tarifstreit aus persönlicher Eitelkeit in die Länge zögen.

Möllring kennt diese Vorwürfe natürlich. "Ich fechte doch keinen Privatkrieg aus", sagt der 54 Jahre alte Jurist dazu nur. "Die Ärzte haben überzogen", meint der Mann, der über sich selbst erzählt, es sei immer sein Traum gewesen, niedersächsischer Finanzminister zu werden - nicht Politiker oder Bundeskanzler, nein, niedersächsischer Finanzminister.

Arme verschränken, Nein sagen

Diese Aussage ist durchaus hilfreich, wenn man die Motivation des Politikers in den zähen Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften verstehen will. "Möllring liebt es, die Arme zu verschränken und Nein zu sagen", sagt einer, der den CDU-Mann gut aus der Landespolitik kennt. Und in die Rolle des Neinsagers lässt es sich als Finanzminister natürlich besonders gut schlüpfen.

Die Tarifkonflikte bieten Möllring darüber hinaus die Möglichkeit, diesen Part bundesweit einzunehmen. Dem Mann mit der großen Brille und der knappen Diktion, der öffentlicher Aufmerksamkeit nicht abgeneigt ist, scheint das mitunter sogar großes Vergnügen zu bereiten.

Verdi-Chef Bsirske hat Möllring einmal vorgeworfen, in 30 Jahren Tarifverhandlungen derartige Sturheit und Kompromisslosigkeit noch nicht erlebt zu haben. Selbst Möllrings damaliger Stellvertreter bei den Verhandlungen mit Verdi, Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner, sprach dem Niedersachsen öffentlich jeden Einigungswillen ab.

Auch derzeit wächst in den Reihen der Arbeitgeber der Unmut über den Kurs von Möllring. Der Ärztestreik kostet die Kliniken viel Geld, die Drohung der Mediziner, auch während der Weltmeisterschaft zu streiken, macht viele Politiker nervös. "Möllrings Bedürfnis nach Profilierung geht zu weit", sagt ein Ministerkollege.

Arzt nicht gleich Friedhofswärter

Möllring will die Ärzte zwingen, den Tarifvertrag zu unterzeichnen, den er mit Verdi ausgehandelt hat. Der Marburger Bund dagegen beharrt auf einem eigenen Abschluss. Schließlich hat die Medizinergewerkschaft sich eigens von Verdi abgespalten, weil sich nach Montgomerys Ansicht die Arbeit eines Arztes nicht mit der eines Friedhofswärters gleichsetzen lässt. An diesem Donnerstag beriet sich Möllring mit seinen Finanzminister-Kollegen in Hannover über das weitere Vorgehen.

Danach kündigte er an, sowohl mit Montgomery, als auch mit Bsirske neue Gespräche über ein Ende des Streits zu führen. "Ich werde jetzt telefonieren", ließ der Minister wissen - nicht ohne noch einmal zu betonen, dass er nicht verstehe, warum der Marburger Bund den Verdi-Vertrag so geißele. Auf einen radikalen Kurswechsel lässt das nicht schließen.

"Man muss sehen, wer langfristig oben bleibt", sagt Möllring. Die "Verfallsdaten" von Finanzministern seien zügig erreicht, weiß er - und will sich gegen diesen Trend stemmen. Auch wenn er damit kurzfristig auf Kritik stößt. Sein ehemaliger Stellvertreter Stegner zum Beispiel sei inzwischen weg. Bei seinem Ausscheiden aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder habe der SPD-Politiker nicht einmal seinen Wunschkandidaten als Nachfolger durchsetzen können, sagt Möllring.

Den Job an der Spitze dieses Gremiums übernimmt normalerweise niemand gerne. Komplizierte Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften zu führen, die von den Arbeitgebern ohnehin nur Geld verlangen, das diese nicht haben - darum reißt sich keiner.

Möllring aber hat den Posten gern von seinem bayerischen Kollegen Kurt Faltlhauser übernommen. Auf diese Weise könne er über Niedersachsen hinaus Einfluss nehmen, sagt der Mann, der mit 22 Jahren in seinem Wohnort Hildesheim Ratsherr wurde und dessen Ehefrau ebenfalls Politikerin ist. Mit ihm haben seine Ministerkollegen aber auch einen Verhandlungsführer gewählt, der seine Auffassungen nicht um des Tariffriedens willen preisgibt.

Jemand aus der niedersächsischen Landespolitik, der unverdächtig ist, ein Möllring-Anhänger zu sein, sagt über den Minister: "Möllring ist wirklich einer, dem es noch um die Sache geht." Rumlavieren sei nicht seine Sache. "Der kämpft lieber bis zuletzt um eine gute Lösung, als einen faulen Kompromiss zu schließen." Wann hört man so ein Kompliment noch über einen Politiker?

Die 18-Minuten-Formel

Der Minister sagt, ihm sei bewusst, dass er durch seine Rolle in der Tarifgemeinschaft auch bundesweit bekannter geworden sei. "Ich mache das aber nicht für mein Image, sondern weil es um die Sache geht." Die Sache ist in diesem Fall schlicht Geld. "Wir müssen einen Kompromiss hinkriegen, den wir auch bezahlen können", sagt Möllring. Sein Credo lautet folgendermaßen: "Alles Geld, was wir ausgeben, muss ich vorher den Bürgern über die Steuern wegnehmen."

Wenn andere ihm vorwerfen, zu versessen zu sparen, entgegnet er, dass er nur Ausgaben kürze, für die ohnehin kein Geld da sei. Es ist ihm sehr ernst damit, und deshalb lässt er Verhandlungen mit Gewerkschaften lieber spektakulär platzen als einzuknicken. In den Tarifverhandlungen mit den Ärzten hieß es nach Gesprächen in München, es hätten nur noch Zentimeter bis zu einem Abschluss gefehlt. Bei dem Termin war Möllring allerdings nicht dabei. Als er das Verhandelte zu sehen bekam, wurde aus Zentimetern schnell wieder ein Graben.

Nein in allen Schattierungen

In dem Tarifpoker kommt dem Niedersachsen zugute, dass er Sachverhalte in knackige Sätze packen kann. Die Formel von den 18 Minuten Mehrarbeit am Tag, wegen der die Bediensteten im öffentlichen Dienst streikten, hat er erfunden. Geschwafelt wird nicht bei Möllring.

Mit knappen, einprägsamen, gern auch zynischen Statements füttert der ehemalige Pressesprecher des niedersächsischen Justizministeriums die vielen Journalisten, die in den Streikwochen täglich bei ihm anrufen. Möllring habe keine Scheu vor "übertriebener Vereinfachung", sagt ein Politikerkollege.

Los, Regierung stürzen!

In den Jahren, als der Christdemokrat in der Opposition die Regierung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder attackierte, führte er die Liste mit Ordnungsrufen an. "Vor jeder Sitzung habe ich gesagt: Los, jetzt stürzen wir die Regierung", hat Möllring einmal erzählt. Sein Vorgänger als Minister, der Sozialdemokrat Heinrich Aller, meint, im niedersächsischen Parlament zeigten Möllrings Ausrutscher noch heute, dass er die Rolle des Wadenbeißers aus der Opposition nicht habe ablegen können. "Diese Härte ist auch ein Zeichen von innerer Unsicherheit", sagt Aller. Ein anderer Kollege findet, Möllring wirke oft wie ein trotziges Kind: immer feste mit den Füßen stampfen.

Die Auftritte des Ministers wirken oft arrogant. Teilweise ist das Kalkül. Einer müsse schließlich den Harten spielen, im Landesparlament genauso wie gegenüber Bsirske und den Medizinern, meint Möllring. Sonst wird das mit dem Sparen in Deutschland nichts. Möllring scheint es völlig unverständlich zu sein, wieso nicht viel mehr seiner Kollegen in Bund und Ländern strikt auf seinem Sparpfad mitmarschieren.

Manche wiederum meinen, mit etwas schmeichlerischer Kommunikation und etwas weniger brachialem Auftreten ließe sich das viel besser verfolgen. Viele Gewerkschafter graut es bei dem Gedanken, mit dem Mann aus Hannover am Verhandlungstisch zu sitzen. Unheimlich ist er vielen, durchgeknallt nennen ihn einige.

Das ist für diejenigen schwer zu verstehen, die Möllrings Form der Zusammenarbeit schätzen. Der Minister höre immer gut zu, und mit ihm könne man alles diskutieren, sagt ein früherer Wegbegleiter aus Niedersachsen. Seine Mitarbeiter schätzen ihren Chef. Selbst alte Widersacher räumen fast ein bisschen erstaunt ein, dass er seine Leute menschlich und sehr korrekt behandle. Möllring weiß zudem Persönliches von Sachlichem zu trennen. Ein Beispiel dafür ist sein Verhältnis zu dem niedersächsischen Verdi-Chef Wolfgang Denia.

Mit ihm trägt der Politiker Möllring öffentlich harte Gefechte aus. Der Mensch Möllring ist mit Denia befreundet und geht mit ihm ab und zu Bier trinken. Ob er sich das mit dem Chef der Ärztegewerkschaft, Montgomery, auch vorstellen kann? "Klar", sagt Möllring, "das haben wir in Dresden schon gemacht." In der Stadt an der Elbe hatten Möllring und Montgomery drei Nächte lang verhandelt. Ein Ergebnis kam dabei nicht heraus.

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