Hans-Peter Friedrich und die Islamdebatte:Eine schrecklich türkische Familie

Nun muss sogar die Verwandtschaft als Beweis für Toleranz herhalten: Nach seiner umstrittenen Äußerung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, kramt der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich tief in der Familiengeschichte, um seine Kritiker zu besänftigen. Die eigene Partei pflichtet ihm derweil bei - und hofft auf eine "Frischzellenkur für die konservativen Seelen".

Man muss wohl davon ausgehen, dass die "konservative Seele", von der CSU-Generalsekretär Dobrindt nun gesprochen hat, in den vergangenen Tagen ein wenig gelitten hat. Der Verlust des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg hat besonders seine eigene Partei, die bayerischen Christsozialen, schwer getroffen. Und so nutzte der Generalsekretär die umstrittenen Aussagen des neuen Innenministers Hans-Peter Friedrich gleich, um ein wenig Balsam auf jene konservativen Seelen zu verteilen.

Germany's new Interior Minister Friedrich attends a news conference in Berlin

Hat eine islamische Schwägerin und geht gerne zum Fastenbrechen: Der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich will sich nach seinen umstrittenen Äußerungen zum Islam keine Muslimenfeindlichkeit nachsagen lassen.

(Foto: Reuters)

Hans-Peter Friedrich hatte am Donnerstag, gerade als neuer Innenminister im Amt, in seiner ersten Pressekonferenz davon gesprochen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Mit dieser Aussage widersprach er sehr deutlich Bundespräsident Christian Wulff - der 2010 gesagt hatte, der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland.

Generalsekretär Dobrindt stellt sich also hinter den Minister. Er lässt keinen Zweifel daran, dass der Islam "nicht zur deutschen Leitkultur" gehöre ("Unsere Wurzeln sind christlich-abendländischer Prägung"). In einem Beitrag für die CSU-Postille Bayernkurier kritisiert er scharf den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der vergangenen Sonntag in Düsseldorf vor 10.000 Menschen sprach. Erdogans Aussage, die Türkei sei die Schutzmacht für alle Türken, auch in Deutschland und Libyen, "ist eine nicht hinnehmbare Entgleisung", so Dobrindt scharf.

Der Vergleich der deutschen Demokratie mit der Diktatur in Libyen sei einfach nicht akzeptabel. Diese ganze Diskussion zeige deutlich, "dass Erdogan nicht auf dem Boden unserer europäischen Werte steht." Dann, wenige Zeilen später, formuliert er: "Eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei kann und wird es mit uns nicht geben."

Für die Aschermittwochs-Kundgebung in Passau kündigt Dobrindt dann auch gleich eine "Frischzellenkur für die konservativen Seelen" an.

Friedrich selbst scheint mittlerweile jedoch ein eher ambivalentes Verhältnis zu seinen eigenen Aussagen zu haben. Der CSU-Politiker verwies am Samstag in Berlin auf die nächste Islamkonferenz am 29. März und sagte: "Ich freue mich darauf und auf die alsbaldigen Gespräche mit den in der Deutschen Islam Konferenz vertretenen Verbänden". Dort betonte er noch: "Erfolgreiche Integration setzt beides voraus: Wissen um die gesellschaftliche Realität in Deutschland - zu der rund vier Millionen Muslime gehören - und ein klares Bewusstsein für die christlich-abendländische Herkunft unserer Kultur." Er wolle "in diesem Sinne" den Dialog mit den muslimischen Mitbürgern voranbringen.

In einem Interview mit der Bild am Sonntag versuchte er derweil jeden Verdacht einer besonders islamkritischen Haltung zu zerstreuen. Den Journalisten, der ihn beim Kistenpacken in seinem Büro besuchte, lässt Friedrich erklären, er habe nur "beiläufig auf seiner ersten Pressekonferenz gesagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland". Dabei, so heißt es weiter, habe "ausgerechnet Hans-Peter Friedrich große Erfahrung im Umgang mit Muslimen in Deutschland. Er hat nämlich eine türkische Schwägerin!".

Die Ehefrau seines Bruders heiße Ceynip, ist weiter zu erfahren, und Friedrich selbst halte engen Kontakt zu einer muslimischen Gemeinde und nehme sogar alljährlich am Fastenbrechen bei.

Ob das der Opposition und den deutschen Muslimen genügen wird, ist fraglich - auch weil Friedrich aus den eigenen Reihen auch von anderer Seite Zustimmung erhalten hat. So sagte Fraktionschef Volker Kauder: "Der Islam hat unsere Gesellschaft nicht geprägt und prägt sie auch heute nicht. Der Islam gehört damit nicht zu Deutschland." Am Sonntag schaltete sich auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in die Debatte ein. Er sagte im Bayerischen Fernsehen, die geschichtliche und kulturelle Entwicklung in der Bundesrepublik sei "ganz eindeutig christlich geprägt". Dies könne man "doch im Ernst nicht infrage stellen".

Die SPD warf dem Minister einen "Fehlstart im neuen Amt" vor, liberale Muslime hatten empört auf Friedrichs Äußerungen reagiert. Die Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes, Lamya Kaddor, nannte die Worte des Ministers eine "Ohrfeige ins Gesicht der Muslime". "So eine Aussage ist nicht nur politisch und geschichtlich falsch", sagte Kaddor. "Ich halte sie für gefährlich." Damit würden alle Fortschritte in der Islamdebatte der vergangenen Jahre negiert und die Dialogbereitschaft vieler Muslime geschwächt.

Die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland, Mina Ahadi, sagte hingegen: "Endlich hat ein deutscher Politiker mal den Mut, klar zu sagen, dass der Islam mit einer aufgeklärten, demokratischen Kultur wie in Deutschland unvereinbar ist. Wir brauchen mehr Politiker, die den aggressiven Islam nicht länger hilflos verharmlosen." Religion solle generell in Deutschland Privatsache bleiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: