Hanau:Früherer SS-Mann angeklagt

Kurz nach der Verurteilung von Oskar Gröning wird ein weiterer Auschwitz-Wächter angeklagt: Ein heute 92-Jähriger sei als junger Mann an der organisierten Tötung wehrloser Menschen beteiligt gewesen.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Ein 92 Jahre alter Mann muss sich in einem der letzten NS-Verfahren vor einer Jugendstrafkammer in Hanau verantworten. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, als 19-Jähriger im Todeslager Auschwitz als Wachmann gearbeitet und sich so der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht zu haben. Weil er zur Tatzeit Heranwachsender war, soll der Prozess vor einer Jugendstrafkammer stattfinden.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann, der heute im Raum Hanau lebt, am Weitertransport von deportierten Menschen aus Berlin, Frankreich und den Niederlanden beteiligt war. Mindestens 1075 dieser Gefangenen sollen unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz in den Gaskammern ermordet worden sein.

Der Mann habe sich nach Auskunft der Staatsanwaltschaft 1942 in Ungarn freiwillig bei der SS gemeldet und in Auschwitz als Mitglied des SS-Totenkopfsturmbanners Dienst getan. Nach Überzeugung der Ankläger ist er sich bewusst gewesen, dass er an der organisierten massenhaften Tötung wehrloser Menschen beteiligt war. Der 92-Jährige ist einer von 14 Verdächtigen, deren Wohnungen im Februar vergangenen Jahres bei einer bundesweiten Aktion nach mutmaßlichen NS-Verbrechern durchsucht worden war. In Hessen gibt es nach Auskunft der Ermittler zudem einen zweiten Verdächtigen, gegen den weiter ermittelt wird.

Erst am Mittwoch hatte das Landgericht in Lüneburg nach einem spektakulären Prozess den früheren SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Ob der gesundheitlich angeschlagene 94 Jahre alte Gröning tatsächlich ins Gefängnis muss, wird noch geprüft.

Auf Gröning könnten Verfahrenskosten in sechsstelliger Höhe zukommen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, dürften die Kosten für den 94-Jährigen nach Einschätzung des Landgerichts bei mehreren Hunderttausend Euro liegen. "Die genaue Summe lässt sich derzeit noch nicht ermitteln, da vieles noch nicht abgerechnet wurde", sagte Gerichtssprecherin Frauke Albers dem NDR. Allein die Anwaltsgebühren ohne Spesen liegen bei mindestens 120 000 Euro, sagte Albers. Insgesamt waren die mehr als 70 Nebenkläger zuletzt von 14 Juristen vertreten worden. Dazu kämen Kosten für die Dolmetscher von rund 75 000 Euro plus die Spesen. Für die eigens als Verhandlungsort angemietete Ritterakademie schlügen knapp 65 000 Euro zu Buche.

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