Hamburgs Innensenator Udo Nagel:"Man sollte dem Staat mehr vertrauen"

Weil er kein CDU-Parteibuch hat, verliert Udo Nagel seinen Posten als Hamburger Innensenator. Wie er damit umgeht und was ihn an der Kritik am BKA-Gesetz besonders ärgert.

Martin Kotynek und Oliver Das Gupta

sueddeutsche.de: Wenn man Sie da so entspannt an Ihrer Pfeife rauchen sieht, könnte fast das Gefühl aufkommen, Sie seien ein sanfter Mensch.

Udo Nagel, dpa

Hamburgs Innensenator Udo Nagel:

(Foto: Foto: dpa)

Udo Nagel: Bin ich auch. Ich werde zwar immer als Hardliner beschrieben, aber als ein solcher gilt heute auch schon, wer geradlinig ist. Wenn einer konsequent handelt und auch B sagt, wenn er vorher A gesagt hat, dann heißt es sofort: Der ist ein Hardliner. Ich fühle mich nicht als Hardliner. Aber lieber dieses Profil als keines.

sueddeutsche.de: Zu Ihrem Profil beigetragen hat zuletzt wohl auch Ihre klare Befürwortung des geplanten BKA-Gesetzes. Warum brauchen wir die Videoüberwachung in Privaträumen, Herr Senator?

Nagel: Weil wir bei akustischer Überwachung oft nicht zuordnen können, wer was gesagt hat. Natürlich stellt das einen Einschnitt in Grundrechte dar und dabei gibt es immer die Möglichkeit, dass Unbeteiligte betroffen sind. Die Frage ist, wie geht man mit solchen Daten um? Darüber muss diskutiert werden. Aber mich stört der Unterton, der bei dieser Diskussion vorherrscht.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie?

Nagel: Es wird immer unterstellt, Beamte halten sich nicht an die Vorschriften und werden aus Übereifer kriminell. Der Sicherheitsbereich steht derzeit dauernd an der Wand. Mich stört dieses permanente: Die böse Polizei kriegt schon wieder ein Recht mehr.

sueddeutsche.de: Die Menschen scheinen dem Staat nicht über den Weg zu trauen.

Nagel: Wie kommen die Leute nur darauf? Da ist dieses latente Grundmisstrauen gerade den Sicherheitsbehörden gegenüber. Es gibt sicher auch mal Fälle, wo etwas überbordet, das schließe ich gar nicht aus. Aber warum sollte sich denn ein Beamter in die Nesseln setzen oder kriminell werden und damit beispielsweise seinen Pensionsanspruch verlieren? Was glauben Sie, wie exakt und vorsichtig die Beamten sind! Man sollte dem Staat mehr vertrauen. Dennoch: Bestimmte Rechtseingriffe sollten natürlich unter Richtervorbehalt gestellt werden.

sueddeutsche.de: Es ist aber gerade das geplante BKA-Gesetz, bei dem der Richter im BKA sitzt - die Behörde sich also selbst kontrolliert. Finden Sie das sauber?

Nagel: So wird das sicherlich nicht kommen. Dieser Punkt wird noch diskutiert. Ich glaube, diese Aufgabe wird schlussendlich bei einem unabhängigen Richter liegen.

sueddeutsche.de: Befürworten Sie eine solche Änderung?

Nagel: Ich kann mit beiden Varianten leben, weil ich dem Staat vertraue.

sueddeutsche.de: Vertraut haben Sie auch dem Rechtspopulisten Ronald Schill, unter dem Sie Polizeipräsident von Hamburg wurden - damit galten Sie als Schill-Mann.

Nagel: Aber in meinen zwei Jahren als Polizei-Chef ist es mir gelungen, diesen Schill-Stempel wieder abzulegen. Schill ist für mich vorbei. Er ist Populist, okay. Allerdings ist er nicht so rechtslastig, wie er meist dargestellt wird.

sueddeutsche.de: Innensenator Schill ging im Skandal und jetzt sorgt ein Video für Furore, auf dem Ihr ehemaliger Chef angeblich Kokain schnupfen soll. Sind Sie enttäuscht?

Nagel: Nein. Ich habe es nur nicht von ihm erwartet. In meinem Leben habe ich viele menschliche Tragödien erlebt, Schill ist eine davon.

Lesen Sie, wie Udo Nagel mit der Nachricht umgeht, ab Mai nicht mehr Innensenator von Hamburg zu sein.

"Man sollte dem Staat mehr vertrauen"

sueddeutsche.de: Herr Nagel, Sie müssen im Mai Ihren Posten als Hamburger Innensenator räumen, obwohl Sie sich bewährt haben. Ärgert Sie das?

Nagel: Nein, ich gehe ohne Zorn. Auch unter Schwarz-Grün hätte ich weitergemacht, wenn man mich gefragt hätte. Ich war für niemanden eine Feindfigur.

sueddeutsche.de: Vermutlich auch deshalb, weil Sie kein Parteibuch besitzen.

Nagel: Mit der Parteilosigkeit habe ich Ole von Beust auch mehr geholfen als wenn ich in die CDU eingetreten wäre. Ich bin ein in Bayern sozialisierter Polizist, dass ich nicht rot-grün bin, ist wohl jedem klar. Ich bin auf der Hauptstraße der CDU, je nach Thema mal ein bisschen rechts, mal ein bisschen links.

sueddeutsche.de: Bleiben Sie auch künftig ohne Parteibuch?

Nagel: Ich habe nicht vor, in eine Partei einzutreten.

sueddeutsche.de: Sie hätten mit diesem Schritt ihren Job sichern können.

Nagel: Das ist aber nicht mein Stil.

sueddeutsche.de: Die Frage nach einem Parteieintritt könnte sich demnächst wieder stellen, angesichts der anstehenden Landtagswahl in Bayern.

Nagel: Trotzdem: Ich werde auch weiterhin für einen Job in der Politik nicht in eine Partei eintreten. Das schließe ich aus, denn sonst würde ich meinen Weg verlassen.

sueddeutsche.de: Schon im vergangenen Herbst wurden Sie als möglicher bayerischer Innenminister gehandelt.

Nagel: Das war ein Gerücht auf allen möglichen Häppchen-Terminen. Günther Beckstein und der Udo Nagel haben ein enges persönliches Verhältnis: Wir kennen, mögen und duzen uns. Wenn ich etwas will oder er, dann rufen wir uns gegenseitig an. Aber er hat mir den Posten nicht angeboten. Nach dem bayerischem Selbstverständnis der CSU wäre es auch nicht vermittelbar gewesen. Man konnte doch nicht sagen, wir finden keinen Geeigneten im eigenen Land, darum holen wir uns den Nagel aus Hamburg zurück...

sueddeutsche.de: ...der obendrein noch parteilos ist.

Nagel: Das kommt dann auch noch dazu.

sueddeutsche.de: Aber reizen würde Sie der Posten schon, oder?

Nagel: Was mich in Zukunft reizt, weiß ich noch nicht. (lacht)

sueddeutsche.de: Sie wirken sehr gelöst, für einen Politiker, der bald arbeitslos ist.

Nagel: Das bin ich auch. Im Oktober werde ich 57 Jahre alt. Mit 17 dreiviertel bin ich zur Polizei gegangen. Ich arbeite also seit fast 40 Jahren - die vergangenen 15 Jahre unter Volldampf: außerdem gab es wenige unbelastete Wochenenden. Ich werde auch nicht rot, wenn ich in den Spiegel schaue und sage: Jetzt mach ich erst mal gar nichts.

sueddeutsche.de: Eine Frage noch an Sie, Frau Nagel: Sind Sie froh, dass Ihr Mann wieder dauerhaft in München ist?

Gerda Nagel: Oh ja. Wir haben Sekt getrunken, als die Nachricht kam.

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