Hamburg und Bremen:Hanseatisch links

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Die eine Stadt hat gerade gewählt, die andere wählt erst in einem Monat - und beide wählen sie fast immer links. Dabei sollte man meinen, das Milieu der Handelskapitäne sei eher etwas für Schwarz und Gelb. Das ist aber ein Trugschluss.

Von Peter Burghardt

Schaut man von oben auf Hamburg und Bremen, dann sieht man zwei Hafenstädte an relativ großen Flüssen. Der Stadtstaat an der Elbe ist deutlich größer, bedeutender und reicher als der Stadtstaat an der Weser. Aber beides sind Hansestädte mit einer enormen Handelstradition; die 1,7 Millionen Hamburger wollen jetzt sogar Olympische Sommerspiele veranstalten. Da könnte sich einer fragen: Wieso werden zwei Städte mit einer dermaßen selbstbewussten Wirtschaftskaste eigentlich traditionell von Sozialdemokraten regiert, und nun in beiden Fällen auch wieder von den Grünen?

In Hamburg hat die SPD in Gestalt ihres Bürgermeisters Olaf Scholz kürzlich wieder merkelhaft ungefährdet die Wahl gewonnen. Nur die absolute Mehrheit ging knapp verloren, deshalb dürfen künftig die Grünen mitmachen, natürlich ganz nach den Wünschen von Scholz' SPD. Die CDU dagegen ist abgestürzt wie der HSV, und die FDP feiert ihren Einzug in die Bürgerschaft wie eine Wiedergeburt. Ein ähnliches Szenario ist am 10. Mai in Bremen zu erwarten - wenn dort die nächste Bürgerschaft gewählt wird; es gibt sie übrigens bereits seit dem Mittelalter. Auch da dürfte der Amtsinhaber von der SPD klar gewinnen, Jens Böhrnsen wird seinem grünen Juniorpartner im Senat allerdings etwas mehr Luft gönnen müssen als der mächtige Kollege Scholz dem seinen.

Dabei wäre zu vermuten, dass im Milieu der Handelskapitäne und Großreeder eigentlich Schwarz oder Schwarz-Gelb dominieren müsste, und weniger Rot oder Rot-Grün. Warum also?

Die Suche nach Antworten führt in ähnliche Gefilde wie in München. Auch da herrscht trotz der Weltkonzerne meistens die SPD, umzingelt vom schwarzen Bayern. Im Norden tragen derzeit zwar auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen rot-grün, doch in Bremen und Hamburg ist das fast immer so.

Wie auch in München oder Berlin fühlen sich Großstädter eher im irgendwie linke Spektrum zu Hause. Sozis und Grüne passen besser zu gesellschaftlichen Brüchen, die besonders im oberflächlich wohlhabenden Hamburg und im offenkundig verarmten Bremen zu besichtigen sind. In Hamburg leben laut einer Studie des Sozialverbands Deutschland 42 000 Millionäre und 18 Milliardäre, gerne in Villen an Alster und Elbe. Gleichzeitig ist fast jeder Fünfte von Armut betroffen oder gefährdet. Bei Kindern und Jugendlichen trifft dieses Risiko sogar jeden Vierten.

Es waren gewöhnlich SPD-Figuren, die den Spagat zwischen den Welten vom Einstecktuchmanager zum Hafenarbeiter und inzwischen auch zum Hartz-IV-Bezieher glaubhafter hinbekamen als ihre Rivalen. Das Wort führten überregional einflussreiche Männer wie Hans-Ulrich Klose und Klaus von Dohnanyi (Hamburg), wie Hans Koschnick und Henning Scherf (Bremen). Mit ihren meist stabilen Kabinetten konnten auch die Handelskammern gut leben, weil sie Verlässlichkeit schätzen und wissen, dass ihre Macht niemand stört. Über allen stand und steht Helmut Schmidt. Er wurde Bundeskanzler statt Bürgermeister, er prägte jene ruhige, wirtschaftsnahe und restsoziale Sozialdemokratie, mit der gerade Olaf Scholz triumphiert. Und wer so kontinuierlich regiert, entwickelt auch beim Postengeschacher eine gewisse Meisterschaft.

So erlebt in Hamburg eine rot-grüne Regierung den Fortgang von pharaonischen Projekten wie Elbphilharmonie, Elbvertiefung und Olympiabewerbung. Dass sich das IOC überzeugen lässt, ist unwahrscheinlich. Aber dann eben ein andermal. Auch später würden es die Herren der Ringe mit der SPD zu tun bekommen.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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