Hamburg:"Klares Ziel des militanten Spektrums"

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Ausschreitungen, wie hier im Hamburger Schanzenviertel am 7. Juli, begleiteten das Spitzentreffen von Politikern aus 20 Staaten. (Foto: Markus Scholz/dpa)

Hätte man die Katastrophe voraussehen können? Darüber diskutiert die Politik fünf Monate nach dem G-20-Gipfel.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Es sind wie gehabt beachtliche Sätze in der Debatte über das Hamburger Desaster rund um das G-20-Gipfeltreffen im Sommer. "Nach bisherigem Stand ist absehbar, dass alle Aktionsformen linksextremistischen Protests zu erwarten sind", hieß es vor dem Treffen der wichtigsten Weltpolitiker in einem vertraulichen Lagebericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, über den Hamburgs Stadtpolitiker jetzt streiten: "Klares Ziel des militanten Spektrums ist dabei, eine Eskalation der Straßenmilitanz und damit einen Kontrollverlust für die eingesetzten Sicherheitskräfte herbeizuführen." Die Einschätzung war zutreffend, wie das Gipfelchaos in der Hansestadt Anfang Juli dann zeigte. Passagen der geheimdienstlichen Erkenntnis sickerten bereits kurz nach dem G-20-Gipfel durch. Das macht Hamburgs neue Politposse umso bizarrer. Warum, fragt man sich seit Monaten, waren Polizei und Politik so überrascht bis überfordert von den Krawallen, wenn Experten das Szenario geahnt hatten? Aktuelle Zusatzfrage: Weshalb geraten sich plötzlich Hamburgs rot-grüner Senat und die CDU darüber in die Haare, wenn der seherische Inhalt schon längst die Runde gemacht hatte? Im Hamburger G-20-Sonderausschuss las der CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll am 9. November Auszüge vor und schickte den Hinweis voraus, das lese sich aus seiner Sicht "wie eine Prophezeiung". Was sei das für eine Quelle, erkundigte sich der Ausschussvorsitzende Milan Pein (SPD). "Ich habe aus den Lagebeurteilungen, aus dem Rahmenbefehl zitiert, die der Bürgermeister selbst angesprochen hat", antwortete Trepoll. Sinngemäß sagte dann SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, dass man trotz aller Texte nicht alles erwarten konnte, was in Hamburg passiert sei.

So schleppte sich die Veranstaltung dahin. Und nun? Dieser Tage erkundigte sich auf einmal der Büroleiter von SPD-Innensenator Andy Grote bei Pein, wie Trepoll denn an das geheime Dokument gelangt war. Es sei nicht für den Ausschuss freigegeben und "nach hiesiger Kenntnis" nicht vorgelegt worden: "Es ist aber nicht auszuschließen, dass uns ein Fehler unterlaufen ist." Es würden auch "von hier aus eigene Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts angestellt". Das sei "ein Versuch der politischen Einschüchterung", wettert Trepoll am Telefon und spricht von Quellenschutz. Ihm kommt der Streit allerdings gelegen. Bürgermeister Scholz ist nicht zuletzt wegen G 20 angeschlagen, der Oppositionsführer will sich profilieren.

Die Innenbehörde beruhigt. Es werde nicht gegen Trepoll ermittelt, sagt ein Sprecher. Es gehe um die Frage, wie das Dokument in den Ausschuss gelangt sei. Das mit den Ermittlungen sei eine unglückliche Formulierung und die Aufregung "ein Kindergartenstück". Oberster Gastgeber von G 20 in Hamburg war übrigens nicht Hamburgs Bürgermeister Scholz, sondern Bundeskanzlerin Merkel, Trepolls Parteichefin.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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