Hamburg:Jenseits des Rausches

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Eine Revolution anzetteln? Derartiges ist nicht zu erwarten, wenn die Grünen in Hamburg abstimmen. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Mehrheitlich stimmen Hamburgs Grüne einem Regierungsbündnis mit der SPD zu. Begeistert ist die Parteibasis nicht, sie sieht den Koalitionsvertrag nüchtern.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der Hamburger Michael Gwosdz aus dem Kreisverband Altona hat eine Zeit lang Alkohol gemieden, als sich Ostern näherte, eine Art Fastenzeit. Dann wurde nach den Feiertagen das Koalitionspapier mit der SPD vorgestellt, worauf Gwosdz versuchte, "mir den Vertrag schön zu saufen". Das Ergebnis: "Ich war wieder nüchtern." Aber er schlug in diesem Sinne vor: "Lasst uns das mal nüchtern sehen. Wir haben rausgeholt, was rauszuholen war. Die Mehrheit will rot-grün."

Unberauscht sahen es die meisten Mitglieder, zwei Drittel der hanseatischen Grünen stimmten am Sonntag im stickigen Bürgersaal Wandsbek für das Bündnis mit Bürgermeister Olaf Scholz und seinen Sozialdemokraten. Es ging zwar nicht so harmonisch zu wie nach den Bürgerschaftswahlen am 15. Februar, damals war das Parteivolk geschlossen für die Gespräche mit der SPD. Allerdings stemmte sich nun doch nur ein Drittel der Anwesenden gegen das Ergebnis oder enthielt sich. Am Dienstag werden die Genossen nachziehen, dann wird Scholz am Mittwoch zum zweiten Mal zum Stadtoberhaupt gewählt und der neue Senat aus SPD und Grünen kann sein Experiment beginnen. Die grüne Landesvorsitzende Katharina Fegebank gab es ja selbst zu, als sie die Versammlung zuvor um Zustimmung bat. "Einige Frustrationen" habe es in den sieben Wochen langen Debatten mit der SPD gegeben. Die SPD hatte von den Wählern mehr als 45 Prozent der Stimmen bekommen, bei den Grünen war es ungefähr ein Viertel davon - entsprechend gestalteten sich die Verhandlungen. Die von den Grünen gewünschte Stadtbahn wurde abgelehnt, ebenso die Umweltzone und die City-Maut. Bei der Elbvertiefung, die Hamburgs Hafen für noch größere Containerschiffe zugänglich machen soll, rettete man sich in die Tatsache, dass über eine Ausbaggerung das Verwaltungsgericht entscheidet. Dafür wurde unter anderem vereinbart, die Elbe und die Luft sauberer zu machen und mehr Fahrräder auf die Straßen zu schicken. Der Vertrag sei "keine Trophäe", räumt die künftige Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Fegebank ein. Aber die 115 Seiten seien "solide und ehrlich", damit werde die Stadt "grüner, vielfältiger und moderner." Grüne Fundis halten die Abmachung für einen Kotau vor Scholz. "Dieser Ziegenbock braucht eins zwischen die Hörner", schimpfte eine Rednerin. Es sei doch "keine Art und Weise, sich so vorführen zu lassen." Auch mangelnde Garantien für Flüchtlinge kamen schlecht weg. Doch es setzte sich die pragmatische Erkenntnis durch, die neunte grüne Beteiligung an einer aktuellen Landesregierung nicht abzulehnen. "Es nützt der Natur nichts", warf eine Referentin ein, "wenn wir in der Opposition sind."

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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