Hamburg:Gipfel der Wut

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Das G-20-Treffen wird geprägt von gewalttätigen Protesten und einer überforderten Polizei

Von Frank Nienhuysen

Nächtliche Gewalt: Viele Vermummte zogen sich am späten Abend in das Schanzenviertel zurück, wo sie auch Geschäfte plünderten. (Foto: Pawel Kopczynski/Reuters)

Sogar US-Präsident Donald Trump bekam früh zu spüren, dass bei diesem G-20-Gipfel in Hamburg etwas schieflief. Als er am Freitagmorgen von seinem Hotel aufbrechen wollte, um in den Messehallen die anderen Mächtigen der Welt zu treffen, gelangte er nur auf Umwegen ans Ziel. Demonstranten versperrten mit Sitzblockaden die geplante Route, und so musste das "Beast", die gepanzerte Limousine des Präsidenten, die Nordspitze der Außenalster umfahren.

Wenig später hatte die Frau des Präsidenten ein ähnliches Erlebnis. Melania Trump wurde von Gipfelgegnern im Gästehaus des Hamburger Senats stundenlang praktisch eingesperrt und so daran gehindert, am Besuchsprogramm für die Partner der Staats- und Regierungschefs teilzunehmen; sie verpasste eine Schiffsrundfahrt durch den Hamburger Hafen.

Dabei erlebte das Präsidentenpaar nur einen kleinen Teil der Realität. Hamburg wollte sich der Welt als Metropole präsentieren, doch es waren hässliche Bilder, die das Großereignis prägten: Blockaden, brennende Autos, geborstene Scheiben und blutige Krawalle. Allein die Zahl der verletzten Polizisten stieg am Freitag auf knapp 200, etwa 80 Demonstranten wurden festgenommen, viele weitere verletzt. In der Nähe der Elbphilharmonie, wo sich am Abend die Staats- und Regierungschefs zu einem Konzert trafen, gab es an den Landungsbrücken Straßenschlachten, als Tausende G-20-Gegner zur Sperrzone vordringen wollten. Auch im Schanzenviertel kam es zu heftigen Ausschreitungen und Plünderungen. Kurz vor Mitternacht begann die Polizei, mit Wasserwerfern die Proteste aufzulösen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die gewaltsamen Demonstrationen; diese gefährdeten Menschenleben und seien nicht zu akzeptieren. Hamburgs Innensenator Andy Grote sprach von einem "erschreckenden Gewaltpotenzial". Da die eigene Polizei überfordert war, kamen aus anderen Bundesländern etwa tausend Beamte zur Verstärkung. Die Polizei der Hansestadt räumte ein, dass sie im Kampf mit den Gipfelgegnern kaum nachkomme und sich auf den Schutz des Konferenzgebietes konzentrieren wolle. Und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz beklagte, "hochaggressive, gewalttätige Straftäter bringen Sicherheitskräfte in Bedrängnis und fordern unsere offene Gesellschaft in einer Weise heraus, die für niemanden akzeptabel sein kann".

In den ersten Entwürfen für eine Gipfel-Erklärung zeichnet sich eine Isolation der USA ab

Dabei hatte es Merkel auch ohne die Gewaltszenen schwer genug, als Gastgeberin des Gipfels erfolgreich Akzente zu setzen. Doch danach sah es am Freitag nicht aus. Die Sherpas, also die Unterhändler, hätten bei der Ausarbeitung der Abschlusserklärung "noch ein großes Stück Arbeit vor sich", sagte sie mit Blick auf die Konflikte beim Klimaschutz und Freihandel. Es waren dann Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin, die erste konkrete Ergebnisse lieferten. Kurz nach ihrem ersten persönlichen Treffen, Handschlag inklusive, wurde bekannt, dass beide Staaten in Jordanien eine Waffenruhe für den Südwesten Syriens vereinbart haben. An diesem Sonntag soll sie beginnen.

Mehr als zwei Stunden dauerte das Gespräch der Präsidenten. Putin sagte, er hoffe, dass das Treffen "positive Ergebnisse haben wird". Trump erklärte wiederum, es sei ihm eine Ehre, Putin zu treffen. Offenbar war beiden jedoch nicht nur an einer besseren Atmosphäre zwischen den USA und Russland gelegen, sondern an ersten greifbaren Fortschritten. Noch immer steht der Vorwurf im Raum, dass Moskau die US-Wahl beeinflusst und so Trump überhaupt ins Amt gebracht hat. Trump und Putin wussten, dass jede Geste von ihnen auch daran gemessen würde. Der Kremlchef, von Trump darauf angesprochen, stritt wie erwartet jede Einmischung ab. Bei der drängenden Frage, wie die Welt auf Nordkoreas Raketenpläne reagieren solle, warnte Putin, wohl auch mit Blick auf die USA, vor einer überzogenen Antwort. Man dürfe da nicht seine Selbstbeherrschung verlieren.

Vergeblich versuchten die meisten G-20-Partner die USA vom Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen abzubringen. In den ersten Entwürfen für eine Abschlusserklärung zeichnete sich die Isolation der Amerikaner ab, während die übrigen Teilnehmer am Abkommen festhalten wollen. Dieser Konflikt wird auch nicht dadurch kaschiert, dass Washington den übrigen Staaten bei der Erfüllung von deren Klimazielen helfen will, etwa durch den Zugang zu sauberen fossilen Energieträgern wie Flüssiggas. Auch Putin bekannte sich zum Klimavertrag.

Ebenso schwierig verliefen die Gespräche beim Freihandel. Die Unterhändler rangen zunächst erfolglos um Signale für ein Ende des Konflikts, im Gegenteil: Es droht eine Art Stahlkrieg. Die EU warnte Trump davor, in der Handelspolitik seinen protektionistischen "America first"-Kurs fortzusetzen und Zölle auf importierten Stahl zu erheben, was auch Deutschland treffen würde. Kommissionschef Jean-Claude Juncker drohte Trump offen: "Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir innerhalb weniger Tage mit Gegenmaßnahmen reagieren werden." Die EU könnte ihrerseits etwa mit Strafzöllen gegen US-Waren antworten. "Wir sind in gehobener Kampfesstimmung", sagte er.

In der Flüchtlingspolitik drangen die Europäer darauf, mit Sanktionen gegen Schleuser und Menschenhändler vorzugehen. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen vor, dies sei "das Mindeste, was wir auf globaler Ebene tun können".

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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