Hamburg:Genitaluntersuchung bei unbegleiteten Flüchtlingen

  • In Hamburg werden bei unbegleiteten Flüchtlingen die Genitalien untersucht, wenn Zweifel daran bestehen, dass sie minderjährig sind.
  • Das hat die Anfrage der Hamburger FDP-Abgeordneten Jennyfer Dutschke ergeben.
  • Der Senat beteuert, die Untersuchung sei freiwillig. Doch die Sache hat einen Haken.

"Inaugenscheinnahme der Körperoberfläche"

Es wird in Europa derzeit viel über Flüchtlinge diskutiert. Die Staats- und Regierungschefs der EU interessiert dabei vor allem die Frage, wie die Tausenden Menschen, die vor Not und Krieg fliehen, auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden sollen. Dieses Thema bestimmt auch die öffentliche Debatte. Die Behandlung der Flüchtlinge und ihr persönliches Schicksal spielen momentan eine eher untergeordnete Rolle - auch in Deutschland.

Eine Anfrage der Hamburger FDP-Abgeordneten Jennyfer Dutschke an den Senat, über die zuerst die taz berichtete, hat nun zutage gefördert, wie fragwürdig unbegleitete Flüchtlinge untersucht werden, wenn Zweifel daran bestehen, dass diese nicht mehr minderjährig sind.

So werden im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) Panoramaschichtaufnahmen des Kiefers angefertigt. In bestimmten Fällen werden auch das Handgelenk oder das Schlüsselbein-Brustbein-Gelenk geröntgt. Auch Computertomografien können zum Einsatz kommen.

Darüber hinaus heißt es in der Antwort des Senats auf Dutschkes Anfrage: "Es erfolgt eine Inaugenscheinnahme [...] der Körperoberfläche, insbesondere bei männlichen Probanden der Gesichtsregion und der Achselhöhlen sowie der Genitalregion. Bei weiblichen Probanden erfolgt eine Inspektion des Entwicklungszustandes der Brustdrüsen."

Scheinbar freiwillig

Ein Vorgehen, das die Liberale empört. Es stelle einen "erheblichen Eingriff in die Menschenwürde" der Flüchtlinge dar, sagt sie zu SZ.de. Es sei unangemessen und auch unnötig, die Jugendlichen einer "hochnotpeinlichen Intimuntersuchung" auszusetzen.

Auch der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, übt Kritik. Das Verfahren zur Altersbestimmung sei medizinisch nicht gerechtfertigt, sagte er der taz.

Der Senat beteuert zwar in seiner Antwort auf die Anfrage, die Untersuchung sei "stets freiwillig", doch die Sache hat einen gewaltigen Haken. Ein paar Zeilen darunter steht nämlich: "Sofern ein Betroffener an der Ermittlung des Sachverhalts durch eine medizinische Untersuchung nicht mitwirkt, wird die Inobhutnahme beendet." Kurz gesagt: Wer sich verweigert, wird automatisch als volljährig eingestuft.

Das hat für die Flüchtlinge erhebliche Nachteile, sie kommen in eine Unterkunft für Erwachsene. Minderjährige werden von der Jugendhilfe betreut, dürfen zur Schule gehen und Deutsch lernen. Sie haben daher wesentlich bessere Chancen, sich zu integrieren und sind außerdem vor Abschiebung geschützt.

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