Haftbefehl der Bundesanwaltschaft:Scharia-Polizist hinter Gittern

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Als selbsternannter Sittenwächter machte der salafistische Prediger Sven Lau von sich reden, nun steht er unter Terrorverdacht.

Von Matthias Drobinski und KristiAna Ludwig, Düsseldorf/München

Vielleicht verflucht Sven Lau nun den Moment, an dem er und seine Mitstreiter auf die Idee kamen, sich orangefarbene Warnwesten mit der Aufschrift "Shariah-Police" auf dem Rücken überzuziehen, durch Wuppertal zu streifen und das nächtliche Ausgeh-Publikum vor Alkohol, Glücksspiel und Pornografie zu warnen. Die Aktion war insofern ein voller Erfolg, als dem Salafistenprediger Lau mit einem Schlag mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde als all seinen Youtube-Schnipseln: Die gesamte Republik regte sich im vergangenen Jahr über den damals 34-jährigen Bartträger auf. Das Landgericht Wuppertal hat den Auftritt gerade erst als nicht strafbar eingestuft. Polizei und Verfassungsschutz aber interessierten sich nur noch mehr für das Leben des Sven Lau, der sich vor zehn Jahren vom ziellosen Kleinkriminellen zum islamistischen Extremisten gewandelt hatte.

Am Dienstagmorgen nun ist Lau festgenommen worden: Als er in Mönchengladbach ins Polizeipräsidium kam, um beschlagnahmte Gegenstände abzuholen, habe man die "günstige Gelegenheit" genutzt, sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittag den Journalisten und nennt Lau einen der "führenden Köpfe der salafistischen Szene" in Nordrhein-Westfalen. Der Vorwurf der Karlsruher Bundesanwaltschaft gegen Lau wiegt schwer: Er soll in vier Fällen den terroristischen Flügel der Organisation "Jaish al-muhajirin wa-l-ansar" (Armee der Auswanderer und Helfer, kurz: Jamwa) unterstützt haben, die seit zweieinhalb Jahren eng mit den Islamischen Staat in Syrien und Nordirak verbunden ist. Neue Erkenntnisse über diese Organisationen habe die Bundesanwaltschaft nun zu Laus Festnahme veranlasst, sagte Jäger, und es sei "nicht unmöglich", dass deshalb bald noch weitere Haftbefehle folgen könnten.

Den Ermittlungen zufolge ist Lau "der verlängerte Arm" der Jamwa in Deutschland gewesen und "eine Anlaufstelle für Kampf- und Ausreisewillige" aus dem Großraum Düsseldorf. Im Spätsommer 2013 habe er zwei Männer an eine syrische Kampfeinheit vermittelt. Kurz darauf sei Lau selbst nach Syrien gereist und habe einem der Männer, Ismail I. aus Stuttgart, 250 Euro Bargeld gebracht. Einen Monat später, im Oktober 2013, habe er dann über eine Kontaktperson drei Nachtsichtgeräte im Wert von 1440 Euro beschafft und ihren Transport nach Syrien organisiert. Ismail I. wurde 2014 in Stuttgart für seinen Syrien-Einsatz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Jäger sagt, es sei jetzt deutlich geworden, dass es sich bei Laus Engagement um die Unterstützung von Terror gehandelt habe und nicht um Wohlfahrtsspenden, wie Lau behauptet hatte.

In seinen Youtube-Predigten verzichtete Lau alias "Abu Adam" auf allzu aggressive Töne. (Foto: Sascha Schuermann/Getty Images)

"Eine der Stimmen der salafistischen Szene ist still geworden", so der Innenminister. Der gelernte Industriemechaniker und Feuerwehrmann Lau war gemeinsam mit dem Prediger Pierre Vogel das bekannteste Gesicht der Salafisten in Deutschland. Als "Abu Adam" missionierte er über den Verein "Einladung zum Paradies" in Mönchengladbach vorwiegend junge Leute für einen radikalen Islam, der alle Regeln aus dem siebten Jahrhundert wörtlich genommen sehen will. Empörte Anwohner liefen Sturm gegen den Verein, mit dessen Auflösung kam Lau vermutlich dem Verbot zuvor. In seinen Predigten verzichtet Lau auf allzu aggressive Töne, er erscheint dort eher als der Kumpel, der zu einem gottgefälligen Leben mahnt. Er hat immer betont, dass er nicht zu Gewalt und Hass aufrufe und gesetzestreu sei; sein Engagement in Syrien sei rein humanitär.

An dieser Version gibt es schon länger Zweifel. Internet-Videos zeigten Lau bereits im Jahr 2013 in Bürgerkriegsgebieten in Syrien. Auf einem Foto ist er sogar auf einem Panzer mit einer Kalaschnikow um den Hals zu sehen. Vergangenes Jahr saß er schon einmal wegen des Verdachts, den IS zu unterstützen, in Untersuchungshaft. Nach drei Monaten kam er wieder frei, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte den Vorwurf nicht ausreichend belegen können. Seinen Reisepass allerdings zogen die Behörden ein - es bestehe der Verdacht, dass Lau sich nach Syrien absetze, lautete die Begründung. Lau klagte dagegen und verlor.

Die Landesregierung schätzt die salafistische Szene in Nordrhein-Westfalen auf mittlerweile 2500 Personen. 500 von ihnen gelten als gewaltbereit, rund 50 seien bereits in Syrien gewesen. Viele Kämpfer stammen aus dem Umfeld Laus - er selber aber gehört Innenminister Jäger zufolge nicht zur gewaltbereiten Gruppe. Erhärtet sich der Vorwurf der Bundesanwaltschaft, dass Lau ein Helfer der IS-nahen Jamwa ist, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Von Sven Laus Anwalt gab es an diesem Dienstag keine Stellungnahme zu den Beschuldigungen.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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