Gysi-Rede beim Linken-Parteitag:Durchschnitt statt Donnerwetter

Bundesparteitag - Die Linke

In 21 Punkten: Fraktionschef Gysi beim Bundesparteitag der Linken

(Foto: dpa)

Gregor Gysi gilt als einer der großen Entertainer der Polit-Republik - doch während seiner Rede beim Bundesparteitag in Dresden, erfüllt er seine eigene Forderung, die Linken müssten "sich und andere mit Leidenschaft anstecken" nur leidlich. Ein Gewitter wie vor einem Jahr in Göttingen bleibt aus.

Von Ralf Wiegand und Antonie Rietzschel, Dresden

Die rechte Faust knallt auf die linke Handfläche. Die Arme fliegen kraftvoll durch die Luft: rechts, links. Dann fegt die rechte Hand einen unsichtbaren Gegenstand von der linken Handfläche. Die Bewegungen der Gebärdendolmetscherin sind kraftvoll - kraftvoller als die Rede Gregor Gysis, die sie übersetzen muss.

Mit leiser Stimme beginnt er darüber zu reden, dass die DDR zwar gescheitert sei, es aber auch gute Entwicklungen gegeben habe, auf die die Partei verweisen müsse. Anschließend bedankt er sich bei Oskar Lafontaine. "Er hat aus unserer Partei eine Bundespartei gemacht." Anschließend sagt er auch den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger "Danke". Dafür, dass sie es geschafft haben wieder Ruhe in die Partei zu bringen. Er liest Punkt für Punkt ein Wahlprogramm vor, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beschlossen ist.

Gysi hatte zuvor schon angekündigt, sicher keine "Gewitterrede" wie während des Parteitages im vergangenen Jahr in Göttingen zu halten. Damals hatten interne Streitereien die Partei ins Chaos gestürzt. Gysi, einer der großen Entertainer der Polit-Republik, ließ damals seiner Wut freien Lauf: "Ich! - bin! - es! -leid!", brüllte er. Seit einem Jahr ist die Partei einigermaßen befriedet, trotzdem hätte es schon ein bisschen mehr sein können. Gysi liest ab. Nicht nur das Wahlprogramm, sondern auch Standardsätze der linken Rhetorik: "Kriege lösen keine Probleme, sie schaffen neue Probleme."

Selten blitzt das Gysi-Temperament auf

Richtig laut wird er erst, als er über die SPD herzieht: "Wann entschuldigt sich die SPD für die Agenda 2010", ruft er mit hochrotem Kopf und bekommt zum ersten Mal Jubel und Applaus. Ruhe herrscht dagegen als Gysi sagt, Ziel der Partei müsse sein, dass sich Grüne und SPD bewegen. Da solle die Linke in die Offensive gehen: So sollen die Sozialdemokraten für den Abzug aus Afghanistan eintreten aber auch dafür das Rentenniveau rückgängig zu machen.

Gysis Rede wirkt angespannt und über weite Teile sogar verkrampft, für seine Verhältnisse höchstens Durchschnitt. Seine Forderung, die Linken müssten "sich und andere mit Leidenschaft anstecken" hat er selbst nur leidlich erfüllt.

Selten blitzt das Gysi-Temperament auf, donnert er, reckt die Arme Richtung Saaldecke. Was die Linken sein wollen, eine Die-anderen-vor-sich-Hertreiber-Partei oder doch eine potentielle Regierungspartei, lässt er offen.

Doch seinen Zuhörern gefällt es, wie auch später ein nicht repräsentatives Hineinlauschen ergibt: Am Ende seiner Rede angelangt, bekommt Gysi Höflichkeitsapplaus - nicht mal zwei Minuten. Schließlich steigt er auf seinen Stuhl, winkt, lässt sich feiern. Die Gebärdendolmetscherin ist da schon von der Bühne verschwunden. Pause.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: