Guttenberg verzichtet auf Doktortitel: Reaktionen:"Dreister Auftritt mit populistischen Mitteln"

Grünen-Chefin Roth geißelt Guttenbergs Verzicht auf den Doktortitel als "völlig inakzeptabel". Die Kanzlerin steht indes demonstrativ hinter ihrem wichtigen Mann - einzig der Bundestagspräsident äußert kritische Töne.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mag in der Plagiatsaffäre Glaubwürdigkeit verspielt haben - die Kanzlerin hält dennoch zu ihm. "Die Bundeskanzlerin findet die Entscheidung Karl-Theodor zu Guttenbergs, auf den Doktortitel zu verzichten, richtig", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Minister hatte am Montagabend nach massiven Plagiatsvorwürfen seinen dauerhaften Verzicht auf seinen akademischen Grad erklärt. Er war damit einem Urteil der Universität Bayreuth über seine Dissertation zuvorgekommen.

Guttenberg bei Valentinstreffen

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) beim Valentinstreffen der hessischen CDU in Kelkheim.

(Foto: dpa)

Merkel hatte bereits am Montag noch vor Guttenbergs Rede signalisiert, ihn wegen der Plagiatsvorwürfe als Minister nicht einfach fallenlassen zu wollen. Sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt. "Mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt", hatte die Kanzlerin gesagt.

Damit stärkt die Kanzlerin dem Minister öffentlich den Rücken - und gibt gleichzeitig die Linie der CDU vor. Nur einer weicht davon ab: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat sich kritisch zum Krisenmanagement des Verteidigungsministers in der Affäre um seine Doktorarbeit geäußert. "Die Presseerklärung, die Karl-Theodor zu Guttenberg am vergangenen Freitag gegeben hat, war jedenfalls kein überzeugender Beitrag zur Problembewältigung", sagte Lammert im WDR-Fernsehen. "Ich kann mir seinen Auftritt (...) nur so erklären, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt das Ausmaß der Schlampigkeit nicht klar war, mit der die Arbeit verfasst und eingereicht worden ist."

Am Mittwoch wird sich der Bundestag mit den Plagiatsvorwürfen beschäftigen. Guttenberg wird nach Angaben der CSU-Landesgruppe daran teilnehmen, aber nicht selbst antworten. Die Fragen würden voraussichtlich "von den anwesenden parlamentarischen Staatssekretären vollumfänglich und ausreichend beantwortet", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Landesgruppe, Stefan Müller.

"Versuch mit Demutsgefasel"

Die Opposition geht da noch weiter. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, bezeichnete gegenüber sueddeutsche.de die Stellungnahme Guttenbergs als einen "dreisten Auftritt mit populistischen Mitteln." Guttenbergs Verhalten sei "völlig inakzeptabel". Sie sehe seine Erklärung als einen "Versuch, mit Demutsgefasel" seine Fehler "als Kavaliersdelikt darzustellen." Sollte Guttenberg damit durchkommen, würde das einen "Werteverlust" bedeuten. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Guttenberg "Plagiieren als Methode" vor.: "Wenn auf drei Vierteln aller Seiten Plagiate zu sein scheinen, dann kann man sich nicht auf Flüchtigkeit oder Schusseligkeit berufen, oder darauf, dass man den Überblick über seine Quellen verloren hat", sagte er.

Die SPD hält den Minister nach der Plagiatsaffäre für "irreparabel beschädigt". Dass der CSU-Politiker die Öffentlichkeit über seine Qualifikation getäuscht habe, sei "dreist" und "keine Kleinigkeit", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Da kein anderer Politiker so oft von Ehre und Anstand gesprochen habe wie Guttenberg, müsse der Minister nun konsequenterweise zurücktreten. "Herr zu Guttenberg wird nicht zu halten sein, und am Ende wird ihn die Bundeskanzlerin nicht halten", betonte Steinmeier. Dass der Verteidigungsminister trotz der offensichtlichen "Verkehrung von Tatsachen" die Medien beschimpft habe, anstatt persönlich Verantwortung zu tragen, sei inakzeptabel.

Guttenberg leide "unter einem Realitätsverlust, der kurz vor dem Rücktritt kommt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Onlineausgabe des Nachrichtenmagazins Spiegel. Nach einer "aggressiven Vorwärtsverteidigung" habe sich Guttenberg zu einer "panikartigen Flucht" entschieden. "Bauernopfer" sei dabei der Doktortitel.

Kritik regt sich auch in der Wissenschaft: Guttenberg habe mit seiner Äußerung nur der Entscheidung der Universität Bayreuth zuvorkommen wollen, "weil er wohl mit der Entziehung des Doktortitels rechnet", sagte der Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter von der Universität Mainz der Passauer Neuen Presse. "Man kann sich nicht entpromovieren", betonte er.

Mappus setzt auf Guttenberg im Wahlkampf

Der Union, von Norbert Lammert einmal abgesehen, sind solche Details egal - sie freut sich darüber, im Superwahljahr auf den im Volk beliebten Minister setzen zu können. Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus kündigte sogleich an, im Landtagswahlkampf "eine Reihe von Auftritten" mit Guttenberg absolvieren zu wollen. Er sei überzeugt, dass die Doktorarbeit im Wahlkampf "keine entscheidende Rolle spielen" werde.

"Ich finde, dass Karl-Theodor zu Guttenberg die Sache in geeigneter Weise gelöst hat", sagte Mappus dem Hamburger Abendblatt. Die Entscheidung, auf den Titel zu verzichten, sei "aller Ehren wert".

Auch in den Augen von Guttenbergs Parteifreund, dem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, ist die Plagiatsaffäre eher nebensächlich: "Die Menschen in Deutschland haben zu Recht kein Verständnis dafür, wenn sich die Politik wochenlang mit nichts anderem beschäftigen würde, als mit Fußnoten und Anführungszeichen", sagte er sueddeutsche.de. "Alles was SPD und Grüne jetzt noch herumkritteln, ist Beschäfigungstherapie einer unterbeschäftigten und uninspirierten Opposition."

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer zollte Guttenberg ebenfalls Respekt für seine Entscheidung, den Doktortitel dauerhaft nicht mehr führen zu wollen. Und Seehofer bekräftigte noch einmal seine Unterstützung für den angeschlagenen Verteidigungsminister: "Wenn ich ausspreche, dass ich zu jemandem stehe, dann gilt das auf Dauer - in welche Widrigkeiten auch jemand gerät", sagte Seehofer gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.

Die Opposition in Bayern kritisiert unterdessen die Haltung der CSU: "Die CSU ist mit ihrem krampfhaften Festhalten an zu Guttenberg auf dem besten Weg, ihren Anspruch als Partei der kleinen Leute an der Garderobe des Schlosses Guttenberg abzugeben", sagte der Grünen-Landesvorsitzende Dieter Janecek.

Der bayerische SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher geißelt vor allem Guttenbergs Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit. Er nannte es "zutiefst unanständig, wie Guttenberg den Tod deutscher Soldaten instrumentalisiert, um von seiner Betrugsaffäre abzulenken". Guttenberg hatte bei einer Veranstaltung in Hessen die Medien kritisiert, weil diese in vollem Umfang über seien Dissertation berichtet hätten, aber der Tod dreier Soldaten in Afghanistan zur Randnotiz verkommen sei.

Guttenberg ein "Einzelfall"

Für die Universität Bayreuth ist die Angelegenheit mit dem Verzicht Guttenbergs allerdings längst nicht erledigt. Das Studierendenparlament betonte in einer Pressemitteilung, Guttenberg sei ein "Einzelfall". Es gebe darüber hinaus keinerlei Anzeichen dafür, dass wissenschaftliche Arbeiten an der Universität Bayreuth unzureichend geprüft werden.

Mittlerweile hat sich auch die Leitung des Universität geäußert: Universitätspräsident Rüdiger Bormann sagte, der Verzicht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf seinen Doktortitel erleichtere der Universität Bayreuth die Entscheidung über ein mögliches Fehlverhalten. Die Hochschule sei damit aber nicht von dem vorgeschriebenen Prüfungsverfahren entbunden, betonte der Universitätspräsident. Einen Termin für einen Abschluss der Prüfung wollte Bormann nicht nennen. Er sagte, es obliege Guttenberg, ob er bis dahin seinen Titel weiterführe oder nicht.

Guttenberg muss sich darum weniger Sorgen machen - die Mehrheit der Deutschen ist weiterhin zufrieden mit ihm. Das steht zumindest im Ergebnis einer Umfrage des Meinungsinstituts Infratest Dimap: 73 Prozent der 500 Befragten hätten sich positiv über Guttenbergs politische Arbeit gezeigt, hieß es. Plagiatsverdacht hin oder her.

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