Guttenberg und die Rücktrittsforderungen:Eine Frage der Ehre

Die Kanzlerin, Teile der Öffentlichkeit und er selbst unterscheiden bisher zwischen dem Minister und dem Doktoranden Guttenberg. Doch das wird nicht durchzuhalten sein. Die Entidealisierung des Idols hat begonnen.

Heribert Prantl

Die Fehlleistungen Karl-Theodor zu Guttenbergs sind ausreichend dokumentiert. Auf 270 von 393 Textseiten seiner Doktorarbeit wurden unausgewiesene Quellen benutzt. Es ist dies ein Abgrund von Plagiat, darüber muss man kein Wort mehr verlieren; das letzte Wort hat ohnehin die Universität Bayreuth; es ist kein Rätsel, was sie sagen wird. Sie wird den Stab über dem Wissenschaftler Guttenberg brechen, weil er unwissenschaftlich, womöglich betrügerisch gearbeitet hat. Guttenberg selber hat der Fakultät diesen Stab hingehalten. Er tat dies, auf dass nicht auch der Stab über dem Politiker Guttenberg gebrochen werde.

Verteidigungsminister Guttenberg bei CDU/CSU-Fraktionssitzung

Bisher kann sich Karl-Theordor zu Guttenberg auf den Rückhalt seiner politischen Freunde verlassen. Er glaubt wohl noch immer, dass ihn nichts umwerfen kann. Aber sein Plagiat und sein öffentlicher Umgang damit wird politische Folgen haben.

(Foto: dapd)

Muss Guttenberg zurücktreten? Er muss sich jedenfalls furchtbar schämen. Welche Konsequenzen er daraus zieht, muss er sich selber überlegen; es ist eine Frage der Ehre. Andere, weniger beliebte Minister sind wegen kleinerer Dinge zurückgetreten; aber diese kleineren Dinge standen in engerer Verbindung zu dem Amt, aus dem sie zurücktraten.

Und so reagieren Guttenbergs Parteifreunde, so reagiert die Kanzlerin und ein Teil der Öffentlichkeit auf die Vorwürfe gegen ihn mit einer Persönlichkeitsspaltung. Sie unterscheiden streng zwischen dem Minister Guttenberg, MdB, und dem Doktoranden Guttenberg, MdB. Guttenberg selbst tat dies auch im jüngsten Auftritt. Er spottete über den anderen Guttenberg, der den "blödsinnigen" Text verfasst hat. Er macht es so ähnlich, wie es die Finanzwirtschaft mit den Bad Banks macht: Das Anrüchige wird ausgelagert.

Es gibt quasi den fehlbaren und den unfehlbaren Guttenberg. Der unfehlbare Guttenberg ist ein Idol. Er hat gebadet in den glänzenden Umfragen und ist gepanzert mit den Hoffnungen einer riesigen Fangemeinde, die auf ihn nichts kommen lassen will. Sie liebt ihn, weil er ihr so anders erschien als die anderen Politiker, so wohlgeraten. Und sie will sich diese Hoffnungen nicht nehmen lassen, vorerst jedenfalls nicht.

Und woran erkennt man die Wohlgeratenheit, fragt Friedrich Nietzsche. "Dass ein wohlgeratener Mensch den Sinnen wohl tut: dass er aus einem Holz geschnitzt ist, das hart, zart und wohlriechend zugleich ist. Er errät Heilmittel gegen Schädigungen, er nützt schlimme Zufälle zu seinem Vorteil aus; was ihn nicht umbringt, macht ihn stärker."

Das ist es, was die vermeintliche Stärke Guttenbergs ausmacht: Er glaubt daran, dass nichts ihn umwerfen kann, weil das seine vielen Freunde glauben. Das ist eine geliehene Stärke. Sie wird in den nächsten Wochen bröseln und bröckeln, weil die Persönlichkeitsspaltung Kräfte kostet. Er tut "den Sinnen" nicht mehr wohl, weil er gelogen hat.

Minister Guttenberg hat sich in Ausreden so verheddert, dass der Doktorhut des Freiherrn Guttenberg schon dabei verlorenging. Aber wer seiner Kritiker hätte die Größe gehabt, sofort das unsäglich Peinliche zuzugeben, mit dem Guttenberg jäh konfrontiert wurde? Kaum einer. Doch sie sind ja auch keine Idole. Die Entidealisierung des Idols hat begonnen. Das wird politische Folgen haben.

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