Guttenberg und der "Gorch Fock"-Skandal:"Das ist kein Führungsstil"

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Er hat den Kommandanten geschasst und stellt die Zukunft des Segelschulschiffs in Frage. Von der Opposition kassiert der Verteidigungsminister für seinen Umgang mit der Causa "Gorch Fock" harsche Kritik: Guttenberg solle persönlich für den Skandal einstehen.

Nachdem er noch am Vortag erklärt hatte, man müsse erst die Untersuchungsergebnisse abwarten, hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nun bekanntgegeben, dass Kapitän Norbert Schatz als Kommandant des Segelschulschiffs Gorch Fock abgesetzt werde. Die Opposition ging ihn dafür scharf an: Guttenberg solle persönliche Konsequenzen aus dem Skandal ziehen und keine Sündenböcke suchen, forderte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

Verteidigungsminister Guttenberg (hier im Berliner Bundestag) wird für sein Vorgehen im "Gorch Fock"-Skandal heftig von der Opposition kritisiert. (Foto: dpa)

Guttenberg reagierte mit Schatz' Abberufung auf Vorwürfe von Offiziersanwärtern über unzulässigen Zwang bei der Ausbildung auf dem Schulschiff. Dort war eine Kadettin im November beim Klettern in der Takelage aus 27 Metern Höhe zu Tode gestürzt. Außerdem sollen Mitglieder der Stammbesatzung Kadetten drangsaliert haben. Vier Auszubildenden soll einem Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus zufolge Meuterei vorgeworfen worden sein. Außerdem soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Ungewisse Zukunft des traditionsreichen Segelschulschiffs

Guttenberg rechtfertigte bei einem Besuch im Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz am Samstag seine Entscheidung."Nach einer derartigen Häufung von faktisch erschütternden Berichten kann niemand zur Tagesordnung übergehen", sagte der CSU-Politiker. "Dort, wo Konsequenzen gezogen wurden, mussten sie gezogen werden", fügte er hinzu.

Guttenberg ordnete die sofortige Heimreise der Gorch Fock an. Die Zukunft des Dreimasters stellte er in Frage. Nach der Rückkehr in den Kieler Hafen solle das Schiff auch bis auf weiteres nicht mehr auslaufen. Dies gelte, bis die eingesetzte Untersuchungskommission ausgewertet habe, "wie und ob" es mit dem Ausbildungsschiff weitergehe. "Ich sage dies bewusst mit Blick auf die große Tradition des Schiffes", fügte Guttenberg hinzu.

Nach ARD-Informationen wurde Kapitän Schatz telefonisch über seine Abberufung informiert. Schatz wurde auf der Gorch Fock vor 35 Jahren selbst als Kadett ausgebildet, später war er dort Deckoffizier und Erster Offizier. 2006 wurde Schatz der zwölfte Kommandant des ältesten Schiffes der deutschen Marine.

Die Gorch Fock, die derzeit im Hafen von Ushuaia auf Feuerland liegt, werde voraussichtlich am 4. Februar auslaufen und auf direktem Weg nach Kiel zurückkehren. Das Kommando solle dann der Vorgänger von Schatz, Michael Brühn, haben. Brühn sei auch Mitglied der Untersuchungskommission, die am kommenden Donnerstag in Ushuaia an der Südspitze Argentiniens erwartet wird, hieß es.

Der Wehrbeauftragte Königshaus (FDP) begrüßte die Absetzung des Kommandanten der Gorch Fock: Er halte diese "schon allein aus Fürsorgegründen für eine richtige Entscheidung". Schatz könne sich nun einfacher "auf seine eigene Stellungnahme zum Geschehen konzentrieren".

Auch der Chef des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, hält die Absetzung des Kommandanten für den richtigen Schritt. Wenn jemand so in der Kritik stehe wie Schatz, dann sei das Vertrauensverhältnis derart belastet, dass es günstiger sei, "ihn aus der Verantwortung zu nehmen", sagte Kirsch dem Sender MDR Info. Er mahnte jedoch an, "ein wenig Vorsicht walten zu lassen, was Vorverurteilungen angeht".

Steinmeier: Guttenberg soll eigene Fehler eingestehen

Guttenbergs Entscheidung, das Segelschulschiff sofort von Argentinien nach Deutschland zu beordern, hält Kirsch ebenfalls für korrekt. Im Hinblick auf die Zukunft der Gorch Fock müsse analysiert werden, ob die Ausbildung der Offiziersanwärter so noch zeitgemäß sei. Er halte es aber für "ganz fatal, wenn es dieses Segelschulschiff irgendwann nicht mehr geben sollte", sagte der Chef des Bundeswehrverbandes.

Die Opposition kritisierte Guttenbergs Vorgehen hingegen heftig. "Morgens verbittet sich Minister zu Guttenberg jede Vorverurteilung auf der Grundlage von Medienberichten, abends entlässt er den Kommandanten der Gorch Fock aufgrund eines Medienberichtes", sagte der Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour in Berlin. Das sei "kein Führungsstil, das ist beliebig".

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier forderte den Verteidigungsminister auf, etwaige Konsequenzen aus den Bundeswehr-Affären auch persönlich zu tragen. "Ich erwarte, dass der Minister jetzt nicht wieder Sündenböcke sucht", sagte Steinmeier dem Spiegel. Guttenberg müsse "persönlich und unverzüglich" Stellung zu allen Vorwürfen nehmen. "Und ich erwarte, dass er dieses Mal Manns genug ist, seine eigenen Fehler dann auch als solche einzugestehen."

Kritik am Führungsstil bei der Bundeswehr kam auch von den Grünen. "Es ist geradezu verwegen, Offiziersanwärter der Meuterei zu bezichtigen, die sich nach einem tödlichen Unfall um die Sicherheit ihrer Kameradinnen und Kameraden sorgen. Wir brauchen Musterbeispiele für Innere Führung und nicht Mobbing auf See", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der Passauer Neuen Presse.

Wie indes bekannt wurde, hat die Mutter der verunglückten Offiziersanwärterin dem Focus zufolge Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung gegen die Bundesrepublik Deutschland erstattet. "Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb", zitiert das Blatt die Mutter. Sie vermute, dass die wahren Gründe für den Tod ihrer Tochter "vertuscht" worden seien.

Nach Informationen des Hamburger Abendblatts befinden sich weiterhin Segel-Anfänger an Bord der Gorch Fock. Die Marine habe bestätigt, dass die 70 Offiziersanwärter, die beim Unfall der jungen Kadettin an Bord waren, durch 60 Soldaten ersetzt wurden. Viele von ihnen hätten erst im Oktober ihren Grundwehrdienst in Parow in Mecklenburg-Vorpommern angetreten. Der Wehrbeauftragte Königshaus reagierte überrascht auf den Vorgang. Er wolle prüfen, inwieweit die Ausbildung und Vorbereitung dieser jungen Soldaten für den Einsatz auf der Gorch Fock ausreichten, sagte er dem Blatt.

Nach ZDF-Informationen haben die bisherigen Ermittlungen zu den Vorfällen auf der Gorch Fock keine Hinweise auf Fehlverhalten im Fall der verunglückten Kadettin ergeben. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte dem ZDF-Hauptstadtstudio, die junge Frau sei nach bisherigem Stand der Ermittlungen keine Soldatin, die Druck benötigte, um in die Takelage zu klettern. Das Gegenteil sei der Fall, so der Oberstaatsanwalt zum ZDF: "Sie war eine hochmotivierte Offiziersanwärterin und eine erfahrene Marinesoldatin."

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/dapd/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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