Guttenberg nach seinem Rücktritt:Lichtgestalt von Seehofers Gnaden

Am zweiten Tag nach seinem Rücktritt ist Karl-Theodor zu Guttenberg von CSU-Chef Seehofer quasi heiliggesprochen worden: Der sei nicht nur ein politisches Talent, sondern der "genialste Kopf" der Partei. Er habe "Historisches" vollbracht.

Thorsten Denkler, Berlin

Unten, im Atrium des Hauses der Bundespressekonferenz, wartet CSU-Chef Horst Seehofer auf seinen neuen Bundesinnenminister. Den will er hier heute der Hauptstadtpresse vorstellen. Doch Hans-Peter Friedrich verspätet sich. Er musste nach seiner Vereidigung im Schloss Bellevue noch ins Ministerium. Amtsübergabe.

Horst Seehofer Introduces New German Economy Minister

Archivbild aus dem Jahr 2009: CSU-Chef Horst Seehofer präsentiert Karl-Theodor zu Guttenberg als neuen Wirtschaftsminister.

(Foto: Getty Images)

Seehofer nutzt die Zeit, um mit Journalisten zu reden. Informell natürlich. Nichts zum Zitieren. Aber das hätte es ohnehin nicht gebraucht. Später im Saal der Bundespressekonferenz, vor laufenden Kameras und eingeschalteten Mikrofonen, wird er deutlicher als im kleinen Kreis.

Es geht um den Bundestagspräsidenten und die Bundesforschungsministerin. Die haben gesagt, was viele wohl ähnlich empfunden haben mögen. Norbert Lammert (CDU) wird unwidersprochen das Zitat zugewiesen, die Guttenberg-Affäre sei ein "Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie". Annette Schavan sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ich schäme mich nicht nur heimlich."

Horst Seehofer ist CSU-Chef. Er glaubt, er müsse sich in so einer Situation vor den Mann stellen, der alle anderen Politiker in den Beliebtheitsskalen hinter sich lässt. Und so poltert Seehofer öffentlich, das es "nicht in Ordnung" sei, so gegen Guttenberg aufzutreten. Diese Sache habe noch ein Nachspiel. Und zwar in den "dafür zuständigen Gremien", droht Seehofer. Später konkretisiert er: Das sei jetzt "eine Sache zwischen der CDU-Vorsitzenden, der Bundeskanzlerin, und mir".

Es gehe es ihm um eine "Stilfrage". Dass man "einem Kollegen, der in schwieriger Lage ist, Solidarität zukommen lässt, sollte selbstverständlich sein", sagt Seehofer.

Fragt sich nur, wo die Grenze einer solchen Solidarität liegt, wenn jeder im Netz nachlesen kann, dass sich Guttenberg nach derzeitigem Stand fast 50 Prozent seiner Dissertation zusammengeklaut hat. Seehofer hat das nach eigenem Bekunden nicht gelesen. Er habe die Angelegenheit nur grob in den Medien verfolgt und ansonsten auf das Wort Guttenbergs vertraut. Es sei schließlich "undenkbar", dass ein Parteichef selbst nachrecherchiere, findet Seehofer.

Gibt es keine Fürsorgepflicht eines Parteichefs, sich bei derart schweren Vorwürfen selbst schlau zu machen? Seehofer verneint. Seine Pflicht liege darin, mit dem Betroffenen zu reden. Das habe er mehrfach getan.

Es folgt die Quasi-Heiligsprechung des Karl-Theodor zu Guttenberg: Der gehöre "fraglos zu den genialsten Köpfen, die wir jemals hatten". Er habe in manchen Bereichen "historische Arbeit abgeliefert".

Friedrich und die Frage nach dem geistigen Eigentum

Manche würde jetzt einwenden, dass er bis dato wohl der genialste Blender war, den die Republik je hatte. Im Bundestag konnte Thomas Oppermann von der SPD vergangene Woche Guttenberg als "politischen Hochstapler und Betrüger" bezeichnen, ohne dafür gerügt zu werden.

Der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich muss hinnehmen, dass es bei der Vorstellung seiner Person kaum um ihn geht. Und auch er muss sich die Fragen nach Guttenberg gefallen lassen. Ob es richtig sein kann, dass ein Innenminister, der auch Verfassungsschutzminister ist und somit auch über das geistige Eigentum zu wachen hat, einen Mann zu seinen Freunden zählt, der so offensichtlich geistiges Eigentum gestohlen habe, will einer wissen.

Friedrich reagiert schmallippig. "An meinen Verhältnis zum Grundgesetz und zum Eigentumsrecht gibt es keinen Zweifel", sagt er. Und: "Daran, dass ich mit Karl-Theodor zu Guttenberg befreundet bin wird sich nichts ändern."

Seehofer sieht dennoch eine große politische Zukunft für seinen "genialsten Kopf". Er müsse jetzt nur etwas Zeit bekommen, sich ausruhen. Im Kriminellenkreisen heißt es dann gerne, es müsse jetzt Gras über die Sache wachsen. Dann werde er, Seehofer, mit Guttenberg bereden, was wann möglich ist.

Selbst wenn Guttenberg wegen der Abkupferei verurteilt werden sollte - was als wahrscheinlich gilt -, dürfte das seine Karrierechancen nicht beinträchtigen. Das haben schon andere gezeigt. Ein gewisser Matthias Wissmann (CDU) ist vorbestraft wegen steuerrechtswidriger Wahlkampffinanzierung. 1993, vier Jahre später, wurde er Forschungs-, später Verkehrsminister. Heute ist er Präsident des Verbandes der Automobilindustrie.

Der CSU-Mann Otto Wiesheu hat betrunken einen Verkehrsunfall verursacht und wurde 1985 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einer Geldstrafe von 20.000 Mark verurteilt. Fünf Jahre später wurde er Staatssekretär für Wissenschaft und Kunst, 1993 - ausgerechnet - bayerischer Minister für Wirtschaft und Verkehr.

Es sollte also nicht wundern, wenn Guttenberg eines Tages als Minister für Wissenschaft und Forschung auf die politische Bühne zurückkehrt.

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