Guttenberg: Am Tag nach dem Titelverlust:Der Hochstapler spielt Minister

Am Tag nach dem Verlust seines Doktorgrades verteidigt Guttenberg im Bundestag ausnahmsweise nicht sich selbst, sondern die Aussetzung der Wehrpflicht. So leicht aber lässt die Opposition den "Hochstapler" nicht davonkommen.

Thorsten Denkler, Berlin

Jürgen Trittin und Renate Künast, die Fraktionschefs der Grünen, geben sich nicht mal die Mühe, so zu tun, als hörten sie dem Bundesminister der Verteidigung zu. Künast quatscht mit einem SPD-Mann, Trittin scheint sich mit Fraktionskollegen in der dritten Reihe Witze zu erzählen. Jedenfalls lacht er so lauthals, dass es bis auf die Besuchertribüne des Bundestages zu hören ist.

Karl-Theodor zu Guttenberg

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) an diesem Donnerstag im Bundestag

(Foto: Reuters)

Vorne am Rednerpult bemüht sich der Mann ohne Doktorgrad, Karl-Theodor zu Guttenberg, zumindest noch die Fassade eines Verteidigungsministers aufrechtzuhalten.

Er spricht über die Wehrrechtsreform, die mit der Aussetzung der Wehrpflicht zum größten Umbau der Bundeswehr seit Jahrzehnten führen wird, erläutert die "Leistungsgrenze", an die die Bundeswehr gekommen sei, erklärt die Notwendigkeit "hochprofessioneller Streitkräfte", berichtet über seine Pläne, die Bundeswehr attraktiver zu machen, weil ja bald die Wehrpflichtigen fehlen.

Die Opposition aber hat sich offenbar entschieden, den Minister und seine Ausführungen geschlossen zu missachten. Guttenberg ergeht es wie den meisten Abgeordneten der Linken: Er wird Mühe haben im Rund des Plenums noch ernst genommen zu werden.

SPD-Chef Sigmar Gabriel wagt zu Beginn seiner Rede noch den Versuch, sich inhaltlich mit den Vorschlägen Guttenbergs auseinanderzusetzen. Je länger er spricht, desto entspannter scheint Guttenberg zu werden. Kein Angriff, kein Seitenhieb wegen seines Doktortitels. Ginge es so weiter, dann könnte tatsächlich schnell Gras über die Sache wachsen. Geht es aber nicht.

"Bild, Bams und bild.de"

Gabriel nimmt die Reform Stück für Stück auseinander, um letztlich nachzuweisen: Guttenberg ist nicht nur ein "politischer Hochstapler" sondern auch noch ein schlechter Verteidigungsminister. Er habe die Bundeswehr zum Sparschwein für die Haushaltskonsolidierung gemacht und keine Antworten geliefert, wie bis zum 1. April, wenn die Reform in Kraft treten soll, die Bundeswehr ohne Wehrpflichtige genug Rekruten bekommt.

Dann dreht er sich um zu Guttenberg, der weit zurückgelehnt auf seinem Platz auf der Regierungsbank sitzt, zeigt mit dem Finger auf den Minister und sagt: "Sie haben Ihren Job nicht gemacht." Gabriel aber will damit gar nicht mehr Guttenberg treffen. Er hat es auf die Kanzlerin abgesehen. Im Gegensatz zur gestrigen aktuellen Stunde, in der es ausschließlich um die Plagiatsaffäre ging, ist sie heute da.

Gabriel wendet sich direkt an die Kanzlerin, sagt, dass er sie achte, nicht allein wegen ihres Amtes, sondern auch weil er sie "nie als machtvergessen und machtversessen erlebt" habe. Merkel lacht, als würde sie ihm kein Wort glauben. Gabriel aber erklärt: "Weil ich Sie so kennengelernt habe: Muten Sie uns und der Bundeswehr dieses unwürdige Schauspiel mit diesem Verteidigungsminister nicht länger zu!"

Am Vortag sei Guttenberg unwidersprochen als "Lügner, Betrüger und Hochstapler" beschimpft worden. Erstmals in der Geschichte des Bundestages habe es keinen Ordnungsruf des Bundestagspräsidenten geben und sei auch von den Regierungsfraktionen nicht eingefordert worden. "Weil alle hier im Saal wissen, dass das Tatsachen sind." Hinter ihm sitzt Bundestagspräsident Norbert Lammert und spielt angespannt mit seinem Stift. Auch diesmal ergeht kein Ordnungsruf.

"Es ist eine Zumutung, dass wir hier für dumm verkauft werden", ätzt Gabriel. In früheren Zeiten sei ein Rücktritt noch "ein Zeichen der Stärke" gewesen. In dem aber Merkel zu Guttenberg steht, habe sie die "Achse unserer Demokratie verschoben".

Die Redner von Union und FDP gehen kaum auf die Angriffe ein. Und wenn, dann wiederholen sie nur die Argumente vom Vortag. Es gäbe Wichtigeres und die Opposition verhalte sich stillos. Außerdem sei es angesichts dieses immensen Vorhabens der Wehrrechtsreform unwürdig, hier wieder mit Guttenbergs Doktortitel anzufangen.

Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, hat da mal eine Zwischenfrage. Wenn das so wichtig sei, warum dann die Reihen von Union und FDP so auffallend spärlich besetzt seien. In der Tat: Gerade mal neun Liberale und 26 Unionsabgeordnete sind zugegen. So wenige, wie sich sonst nur in den Bundestag verirren, wenn es irgendwann gegen Mitternacht um EU-Regelungen zu Masttierfutter geht.

Beck sagt: "Wir könnten hier jetzt jede Abstimmung gewinnen. Ist das ein Signal, dass sich die Koalition schon von ihrem Verteidigungsminister verabschiedet hat?" Das soll es natürlich nicht sein. Einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der Union greift sofort zum Telefon. Es müssen noch ein paar Leute her.

Jürgen Trittin redet auch noch. Er macht es kurz, fragt Guttenberg, ob er überhaupt noch "in der Lage sei", die Wehrrechtsreform zu kommunizieren. Ob ihm die unpopulären Entscheidungen, die damit zusammenhängen "überhaupt noch jemand abnimmt", angesichts seines Schlingerkurses.

Zum Schluss wird es noch mal persönlich. Er, der Minister, habe immer darauf geachtet, die "Unterstützung von Bild, Bild am Sonntag und bild.de "zu haben, sagt Trittin. "Jetzt finde ich es hochinteressant, an wen die Anzeigen-Aufträge gehen sollen, die für mehr Freiwillige sorgen sollen - an Bild, BamS und bild.de!" Eine Bundeswehrreform aber, die "auf einen schmutzigen Deal mit der Springerpresse fußt, die machen wir nicht mit."

Muss er auch nicht, die Reform wird dennoch beschlossen werden. Und solange Springer Guttenberg die Stange hält, hat er wohl nichts zu befürchten.

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