Gutachten für SPD:Sarrazin und der Rassismus

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Seine "Kopftuchmädchen" sorgten für Aufsehen, doch der Staatsanwalt sah keine Volksverhetzung. Sarrazins Gegner in der SPD lassen aber nicht locker - und holen sich wissenschaftliche Unterstützung.

Der frühere Berliner Finanzsenator und heutige Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin muss weiter um seine SPD-Mitgliedschaft bangen. Der SPD-Kreisverband Spandau und die Abteilung Alt-Pankow werfen ihm rassistische Äußerungen in der Kulturzeitschrift Lettre International vor und haben das jetzt mit einem Gutachten untermauert, über das mehrere Berliner Tageszeitungen berichten.

Seine innerparteilichen Kritiker lassen nicht locker: Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin arbeitet heute für die Bundesbank. (Foto: Foto: ddp)

Es komme zu dem Schluss, dass Sarrazin in teilweise herabwürdigender Form türkische und arabische Migranten beschreibe. Diese Passagen seien "eindeutig als rassistisch zu betrachten", urteilte der Politikwissenschaftler Gideon Botsch in der betreffenden Studie.

Sarrazin selbst habe kämpferisch auf die Vorwürfe reagiert. Notfalls werde er den drohenden Rauswurf aus der SPD verhindern, indem er durch alle Parteiinstanzen gehe, sagte er der Berliner Morgenpost. Austreten werde er aus der SPD jedenfalls wegen der Vorwürfe nicht: "Ich war noch nie beleidigt. Sonst hätte ich mein damaliges Amt als Finanzsenator schon 20-mal niederlegen müssen."

Das 21-seitige Gutachten bewertet einzelne Passagen des Lettre International-Interviews als herabwürdigend für Migranten. Der frühere Finanzsenator hatte unter anderem erklärt, Araber und Türken seien kaum produktiv für die deutsche Wirtschaft. Damit mobilisiere Sarrazin mit einem "bewussten Tabubruch" Vorurteile, die sonst von Rechtsradikalen geäußert würden, heißt es in dem Gutachten.

Dessen Autor, Gideon Botsch, arbeitet für das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) in Potsdam und hat außerdem einen Lehrauftrag der Universität Potsdam inne. Als seine Arbeitsschwerpunkte nennt er "Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung".

Sarrazin hatte im Oktober weiter gesagt: "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate." Und: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Für diese Äußerungen hatte er sich später öffentlich entschuldigt.

Die beiden SPD-Verbände brachten ein Parteiordnungsverfahren in Gang. Die Kreisschiedskommission in Charlottenburg-Wilmersdorf wies den Antrag auf Parteiausschluss allerdings zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor schon ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingestellt.

© sueddeutsche.de/APD/dpa/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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