"Gut so, schlecht so":Linke auf YouTube - ein Schirm wird kommen

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Oskar rocks: Die Linke lässt sich einen exklusiven Tag auf YouTube ganz schön viel kosten. Die Kolumne zum Medienwahlkampf.

Hans-Jürgen Jakobs

Die Mitteilung ist quasi amtlich ("Hier spricht die Opposition"), und die dazu ausgesandte Presseerklärung verspricht volle Exklusivität zum 1. Mai: So ist das, wenn die Partei der Linken einen Imageclip auf der Videoplattform YouTube platziert.

Entdeckt YouTube für die Linken: Oskar Lafontaine (Foto: Foto: AP)

Aber was heißt hier schon "die Opposition spricht". Zu sehen ist in dieser neuartigen Parteienwerbung ein Reigen voll Bilder, die ein rothaariges Mädchen namens Anna zeigen, das den Bundestag entdeckt, und zu sehen sind nicht mehr ganz so junge Menschen der Linken. Hier löst eine Sprechblase die andere Sprechblase ab, dramaturgisch aufgelockert mit Hilfe roter Luftballons und Fahnen, die Partystimmung verbreiten. Gregor Gysi dekretiert: "Die Linke muss auch feiern können."

Natürlich gibt bei der großen YouTube-Premiere Oskar Lafontaine den Schluss-Act. Vor sehr rotem Hintergrund spricht der Parteivorsitzende in einem einzigen Satz die Schlüsselbotschaft: "Wir brauchen einen Schutzschirm für die Menschen". Und Anna, die jugendliche Heldin des Clips, weiß zu guter Letzt: "Die Linke lässt keinen im Regen stehen."

Dieser Humor ist so trocken, dass man weinen könnte. Die anderen mögen "Schirme" über die Banken oder Autokonzerne oder Zulieferer spannen, die Linke aber nimmt sich aller Deutschen an, das ist die message - auch jenen, die bei YouTube bunte Videofilmchen schauen. Das alles vermittelte Lafontaine für 24 Stunden exklusiv im Internet.

Der 65-jährige Saarländer war in Wahlkämpfen schon immer seiner Zeit voraus. Er scheint sich im politischen Streit stets auf zauberhafte Weise jugendlich aufzuladen und den Genossen Trend von der SPD weggelotst zu haben. Logisch, dass er früher als die Konkurrenz prominent bei YouTube landete.

Da schaut natürlich Frank-Walter Steinmeier, der Spitzenmann von Lafontaines alter Partei SPD, irgendwie alt aus. Er twittert zwar und die Sozialdemokraten betreiben auf YouTube auch tapfer einen Kanal mit ganz vielen talking heads und auch manchem Image-Clip, aber rechts oben auf die Homepage dieses elektronischen Jugendzentrums der Welt haben es die SPDler noch nicht gebracht.

Den feinen Anzeigenplatz eroberte die Bundestagsfraktion der Linken. Sie lässt sich die multimediale Präsenz am 1. Mai schätzungsweise 30.000 Euro kosten. Der Tag der Arbeit ist für die Partei zum Tag des Bewegtbildes geworden. Voraussichtlich bis zu acht Millionen würden den Clip sehen, rechnet sich die Linke stolz vor.

Wahrscheinlich gibt es in den Clubs der Republik am Abend des 1. Mai kein anderes Thema als jenes von der Begegnung des neugierigen Teenagers Anna mit dem netten Vorsitzenden der Partei in der Welt von YouTube - auch wenn es sicher noch ein paar andere attraktive Angebote gab, zum Beispiel Videos vom Anschlag in Apeldoorn, oder den Film "Yaprak Dökümü".

Dass die aus öffentlichen Geldern mitfinanzierte Linke, in der manche sogar Verfassungsfeinde zu sehen glauben, mit dieser auffällige Werbeschaltung sogar ein kleines Schutzschirmchen über die Quartalsbilanz der YouTube-Mutter Google spannt, mag ein unvenmeidlicher vulgärkapitalistischer Nebeneffekt sein. Aber Oskar rocks, das zeigt der Online-Drei-Minüter zum 1. Mai in ganzer Güte.

Unwillkürlich werden die jahrelangen Lafontaine-Beobachter an dessen Tanzeinlage beim Jugendparteitag der SPD im November 1996 erinnert, als der damalige Ober-Sozialdemokrat tapfer Techno mit flotten Jungsozialistinnen tanzte. Damals war noch nicht einmal Google auf der Welt, geschweige denn YouTube. Und Lafontaine war auch noch nicht - für wenige Monate jedenfalls - Bundesfinanzminister.

Dass man im Jahr 2009 auf der Videoplattform vertreten sein muss, das haben inzwischen auch die plattnäsigsten der deutschen Parteienstrategen begriffen, nachdem es ihnen Barack Obama, John McCain und CNN im US-Wahlkampf vorgemacht haben. Es gibt auch ganz viel CDU TV auf YouTube.

Ihre Erkenntnis nach diesem 1. Mai wird womöglich sein: Von Oskar Lafontaine lernen heißt siegen lernen. Der Politiker, der in seiner Heimat an der Saar beste Wahlchancen besitzt, hat offenbar den Techno-Sound der neunziger Jahre noch im Ohr und lässt so rhythmisch im aktuellen Werbefilmchen Sequenzen unterlegen, die die eigene Bundestagsfraktion bei der Arbeit zeigen.

"Wo Menschen sind, zeigt Die Linke Präsenz", resümiert Lafontaine seine YouTube-Strategie: "Am Werktor, auf dem Marktplatz und natürlich auch im Internet." Und jetzt suchen wir alle mal den roten Schirm über uns!

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