Gut so, schlecht so (11):Eine Schlämmerei fürs Leben

Im August soll der Kanzlerwahlkampf ernst werden. Horst Schlämmer macht sich genauso Hoffnung wie ein Mann namens Steinmeier. Die Kolumne zum Medienwahlkampf.

Hans-Jürgen Jakobs

Es wird noch ein wenig dauern, bis der Wahlkampf volle Fahrt gewinnt. Er würde "Anfang, Mitte August beginnen", dozierte jüngst der Mann, der einen Ruf als richtiger Polit-Campagnero hat, ein Übriggebliebener aus Tagen der seligen "Kampa".

Gut so, schlecht so (11): Komiker Hape Kerkeling als Horst Schlämmer: "Isch kandidiere"

Komiker Hape Kerkeling als Horst Schlämmer: "Isch kandidiere"

(Foto: Foto: dpa (Archiv))

Aber wer weiß, vielleicht hat der derzeitige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering ja bei seiner Zeitplanung einen Star des Fernsehens im Sinne gehabt, der bei RTL große Kostproben seines Könnens abgeliefert hat, genau wie die "Super-Nanny" Katharina Saalfrank, die jetzt für die Sozialdemokraten die Säle mit bildungspolitischen Abhandlungen füllt.

Genau am 20. August wird Horst Schlämmer ins Geschehen eingreifen - der Gründer der "Horst-Schlämmer-Partei" (HSP), der mit seiner Erfindung bereits das Internet unsicher macht. Hier ist ein knapp einminütiges Werbevideo zu sehen, in dem der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts auftritt.

Fans stehen um ihn herum und wedeln mit Fähnchen, und der unermüdliche Schlämmer mit seiner Hape-Kerkeling-Perücke nuschelt etwas von "Hasenpower für Deutschland". Außerdem sagt der Mann, "wir sind konservativ, wir sind liberal, wir sind links", und deckt damit ein Spektrum ab, das eigentlich der SPD und ihrem ausgeguckten Zugpferd Steinmeier gehört.

Gemein, dass der Entertainer mit seiner Schlämmerei nur Reklame macht für seinen neuen Film "Isch kandidiere", der ausgerechnet dann anläuft, wenn es für die Sozialdemokratie und ihren Kandidiaten Steinmeier so richtig losgeht. Der Außenminister ist in der Wahlkampfarena bislang noch Außenseiter, doch das Motto der ZDF-Show "Ich kann Kanzler" hat sich der Spitzenbeamte schon so zu Herzen genommen, dass der Parteivorsitzende Müntefering öffentlich sekundiert hat: "Er kann Kanzler, er wird es."

Gabriele Pauli, Kader Loth und der Männerbeauftragte

Für eine Traditionsvereinigung, die irgendwo in den Umfragen bei vielleicht 25 Prozent Wählerstimmen dahinsiecht, ist das eine verschärfte Form der Autosuggestion, die erstens davon ausgeht, dass Steinmeier in Wahrheit Gerhard Schröder ist und zweitens, dass Angela Merkel (CDU) in der Öffentlichkeit überhaupt nicht als Bundeskanzlerin wahrgenommen wird. Vielleicht bietet Schlämmer alias Kerkeling den Sozialdemokraten noch eine Allianz an, wenn es trotz vieler Durchhalteparolen nicht für die große Koalition gereicht hat.

Dass Einzelne im kollektiven Stimmenkampf durchaus Aufmerksamkeit erringen können, zeigt die Gabriele-Pauli-Partei (GPP), die derzeit noch in der Öffentlichkeit als "Freie Union" firmiert, und somit erkennbar das Beste aus Christsozialen (CSU) und Freien Wählern repräsentiert. Die Gründerin Pauli bietet sich seit einiger Zeit schon für höhere Aufgaben an und hat als eine der ersten Amtshandlungen die TV-Totalität Kader Loth zur Frauenbeauftragten erklärt. Auch Frau Loth war schon in Hochglanzmagazinen zu sehen, so wie Gabriele Pauli in der unvergessenen Park Avenue. Als Männerbeauftragter soll im Übrigen Ferfried Prinz von Hohenzollern im Gespräch sein.

Gabriele Pauli ist eine Exotin, verglichen mit den 52 Parteien und Vereinigungen, die sich zur Bundestagswahl am 27. September angemeldet haben. Und das, obwohl sich im Pulk Namen finden wie Piratenpartei, Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands, Tierschutzpartei, die Violetten oder die Partei Bibeltreuer Christen.

Von Schlämmer lernen heißt siegen lernen

Allerdings dürfte am Ende niemand an den Erfolg der anarchistischen, bibeltreuen Piraten-Kunstfigur Schlämmer herankommen. Er hat zum Beispiel in der Community von Facebook schon jetzt fast 7600 Fans. "Endlich mal ein normaler Mensch als Kanzler", jubelt "Inger Mathee". Der fiktive Lokaljournalist gibt eine Internetadresse (www.waehlt.schlaemmer.de) an, die rasch Fähnchen schwenkende Mitglieder bringen soll. Und lächelnd sagt Horst Schlämmer: "Ich werde Ihr nächster Bundeskanzler." Überflüssig zu erwähnen, dass die Homepage irgendwie an den SPD-Auftritt erinnert.

Von Horst Schlämmer lernen heißt also siegen zu lernen. Sicher, es gab beispielsweise in Dänemark den Steuersenker Mogens Glistrup, der in den siebziger Jahren den Aufstieg mit seiner neu gegründeten Fortschrittspartei schaffte. Und in Hamburg machte der rechtsgewirkte Law-and-Order-Politiker Ronald Barnabas Schill auf sich aufmerksam, der es - zeitweilig hofiert von der örtlich dominierenden Springer-Presse - in die Senatorenklasse schaffte.

Doch die Elemente eines modernen Wahlkampfs setzt keiner so genau ein wie Horst Schlämmer, der lächelnde Mann von der HSP mit den Fähnchenschwenkern und der vielen Hasenpower. Wer den Erfolg will, muss wie er "nah bei die Leut" sein.

Seine Botschaft ist: Nur wer sich unwichtig nimmt, wird wichtig. Oder: Wer nicht lacht, der nicht gewinnt. Vielleicht spendiert "Münte", der alte SPD-Napoleon, seiner desillusionierten Truppe einfach einmal einen Kinobesuch.

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