Guido Westerwelle und die FDP:Warnung vor dem Freunde

Guido Westerwelle will innenpolitisch wieder mitmischen, von einem baldigen "Aufschlag" ist die Rede. Manche Liberale finden das gar nicht lustig: Sie glauben, der Außenminister wolle lediglich seinen Job sichern - und gefährde dabei den angeschlagenen Parteichef Philipp Rösler.

Thorsten Denkler und Oliver Das Gupta

Die Umfragewerte im Keller, der Vorsitzende farblos, die FDP in der Dauerkrise. Keine Hoffnung mehr. Und plötzlich ist da ein Mann, der das Ruder herumreißt. Der der verschnarchten und als gestrig empfundenen Partei neues Leben einhaucht. Der Mann heißt Guido Westerwelle.

Will auch innenpolitisch wieder mitmischen: Außenminister Guido Westerwelle (FDP)

Will auch innenpolitisch wieder mitmischen: Außenminister Guido Westerwelle (FDP)

(Foto: REUTERS)

Das war 2001. Damals griff der Jurist aus Bonn nach dem Parteivorsitz, fegte Wolfgang Gerhard einfach vom Chefsessel. Weil er wollte. Weil er konnte. Weil er der Bessere war. Elf Jahre später steckt die FDP wieder im Krisenmorast, noch viel tiefer als 2001. Der Führungswechsel liegt gut neun Monate zurück, er hat nichts gebracht. Im Gegenteil: Desaströse Wahlergebnisse, Umfragewerte im außerparlamentarischen Bereich.

Nichts will gelingen: Christian Lindner gibt als Generalsekretär entnervt auf. Nachfolger Patrick Döring fällt als Erstes mit Fahrerflucht auf, dann mit peinlichen Äußerungen ("Rösler ist kein Kämpfer"). Das Dreikönigstreffen in Stuttgart gerät zum Desaster, weil gleichzeitig die CDU im Saarland die dortige Jamaika-Koalition wegen Unfähigkeit der FDP aufkündigt. In der Debatte um die Finanzmarkttransaktionssteuer argumentiert die FDP mit ihrem notorischen Nein mit dem Rücken zur Wand.

Parteichef Philipp Rösler überzeugt nicht, weder nach innen, noch nach außen. Immer wenn der Vizekanzler im Bundestag ein Rede hält, stichelt die Opposition, Tenor: "Das hätte Westerwelle besser hinbekommen." Und manchem in der FDP dünkt, dass da etwas Wahres dran sein könnte.

Vielleicht ist es jetzt soweit. Am kommenden Sonntag will Westerwelle nach Informationen der Süddeutschen Zeitung den Neujahrsempfang seiner nordrhein-westfälischen Landes-FDP nutzen, um sich zu Wort zu melden. Von einem "innenpolitischem Aufschlag" ist die Rede.

Offen äußern sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Liberale mit Rang und Namen. Vorstandsmitglied Horst Meierhofer sagt der SZ, wenn sich Westerwelle "im Team" einbringe, sei das zu begrüßen, solange sich sein Ton mit dem Amt des Chefdiplomaten der Republik verträgt. Westerwelles verstärktes Engagement "bedeutet ja nicht, dass man die Reset-Taste drückt" - und vergangene Zeiten wiederaufleben lässt.

Auch Oliver Möllenstädt, ebenfalls im FDP-Vorstand, meint, es sei "nicht verkehrt, wenn sich Westerwelle auch innenpolitisch engagiert".

Der stellvertretende Parteichef Holger Zastrow weist im Gespräch mit der SZ auf die "unterschiedlichen Charaktere, Stilmittel und Kompetenzen" der Führungskräfte hin, "um möglichst viele Menschen von der Idee des Liberalismus zu überzeugen". Zastrow findet es gut, wenn die Partei keine One-Man-Show ist wie zu Oppositionszeiten, sondern sich an der Spitze breit aufstellt. Zastrow betont, dass nun das Führungsteam stehe - dazu gehörten "nicht nur die Parteispitze sondern alle Minister", also auch Westerwelle.

Andere prominente Liberale haben zu Westerwelles Ambitionen eine andere Meinung, sie sagen: Er sollte es besser lassen.

Vorbauen für den nächsten Knall

Trotz aller Dankbarkeit für den Erfolg von 2009, als Westerwelle für die FDP quasi im Alleingang 14,6 Prozent geholt hat, sehen viele Freidemokraten in Westerwelle einen der Hauptverursacher der existenzbedrohenden Krise: "Die aktuelle Parteispitze um Rösler löffelt die Suppe aus, die Westerwelle eingebrockt hat", fasst ein Liberaler zusammen.

Seit seiner erzwungenen Demission vom Parteiamt, hat sich Westerwelle innenpolitisch erkennbar zurückgehalten, wofür man ihm im Parteivorstand auch in diesen Tagen durchaus Respekt zollt. Seine Geräuscharmut hat ihn im öffentlichen Ansehen nicht beliebter gemacht. Aber sie hat ihm auch nicht geschadet.

Dass er nun nur aus Sorge um die Partei wieder mitmischen will, zweifeln viele Parteifreunde an. Dafür ist schon die Gefahr zu groß, dass Westerwelle mit einer pointierten und kraftvollen Rede Parteichef Rösler blass aussehen lassen würde. Westerwelle mag kein großer Stratege sein. Seine rhetorischen Fähigkeiten aber sind so unbestritten wie gefürchtet. Mancher, der nicht unbedingt als Guido-Fan gilt, erinnert sich noch gerne an Westerwelles krachenden Auftritt im November 2011 beim Parteitag in Frankfurt. Damals sprach Westerwelle fünf Minuten gegen die Euro-Rebellen Frank Schäffler und seinen Anhang. Der Saal tobte - im Gegensatz zur ausgewogenen Ansprache von Parteichef Rösler.

Das haben auch die Anhänger Westerwelles registriert. Und doch sind es seine politischen Freunde, die fürchten, dass er nun zu dick auftragen wird. Zumal der Außenminister andere Felder bisher nahezu unbeackert gelassen habe. Hauptkritikpunkt: Westerwelle sei in der aktuellen Euro-Krise de facto ein Ausfall. Er positioniere weder sich noch die FDP zu den Rettungspaketen, die wie am laufenden Band zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy abgestimmt und in Brüssel geschnürt werden.

Dabei sei die Europapolitik das Kerngeschäft des deutschen Außenministers. Einige vermissen eine "konstruktiv-kritische" Haltung. Anderen würde es schon reichen, wenn die FDP wenigstens als Wasserträger Merkels wahrgenommen würde. Schlicht deshalb, weil sie dann überhaupt wahrgenommen würde.

Auch andere außenpolitische Felder gebe es zuhauf - beispielsweise die Türkei, Israel, der Nahe Osten insgesamt. Lauter Themen, mit denen Westerwelle für die FDP glänzen könne, heißt es aus Parteikreisen.

Mit innenpolitischen Ansagen Westerwelles habe die Partei überdies zuletzt eher schlechte Erfahrungen gemacht. In den Ohren vieler Liberaler klingelt immer noch Westerwelles Wort von der "spätrömischen Dekadenz" im Zusammenhang mit Hartz-IV-Empfängern. Etwas von dieser Qualität könne die Partei gerade nicht gebrauchen, heißt von einem, der nicht zitiert werden will. Er sollte nicht "irrlichtern in Feldern, die ihn nichts angehen", rät eine Parteifreundin.

Nein, hinter dem erwarteten Vorstoß Westerwelles werden ganz andere Motive vermutet. Machterhalt, wird immer wieder genannt. Westerwelle wolle vorbauen für den Fall, dass es nach einer Wahlniederlage für die FDP bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein Anfang Mai ein neues Großreinemachen gibt. Dem könnte Westerwelle zum Opfer fallen. Wahrscheinlich ist das nicht, aber vorbauen dürfte der gewiefte Ex-Parteichef trotzdem.

Vorpreschen aus Eitelkeit

Manche vermuten, dass Westerwelle glaubt, sich ein Vorpreschen wieder leisten zu können. Nach seiner Absetzung als Parteichef blieb er Außenminister von Röslers Gnaden. Schon das muss Westerwelle tief getroffen haben. Wegen seinen umstrittenen Libyen-Äußerungen hätte Westerwelle fast sein Amt verloren, doch Rösler hielt und demütigte ihn zugleich - der Parteichef zwang seinem Vorgänger seine außenpolitische Linie auf.

Inzwischen sei Rösler aber zu schwach, um Westerwelle endgültig ins politische Aus zu stellen. In der Partei ist man sich weitgehend sicher: Sollte Westerwelle nicht massiv patzen, bleibt er bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt. Alles andere wäre zu "blutig", es würde die arg lädierte FDP nur noch mehr zerreißen. Der eben 50 Jahre alt gewordene Rheinländer könnte seine halbwegs sichere Position als Chance begreifen, sich stärker in Erinnerung zu rufen.

Dass er damit Rösler womöglich noch weiter beschädigen würde, könnte ihm durchaus in den Kram passen. Als möglicher Nachfolger für Rösler wird bereits Westerwelles alter Weggefährte Rainer Brüderle gehandelt. Kommt der ins Amt, könnte sich Westerwelle auf seinem Posten wieder sicher fühlen. Schließlich war er es, der Brüderle nach der Bundestagwahl 2009 seinen Traumjob des Bundeswirtschaftsministers gegeben hat. Aus Dankbarkeit für treue Dienste. Doch es gibt auch die Stimmen aus dem Parteivorstand, die meinen: Wenn Rösler fällt, fällt auch Westerwelle.

Dass ausgerechnet der NRW-Landeschef und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr dem früheren Vorsitzenden nun eine Bühne bietet, finden einige Liberale zumindest verwunderlich, war Bahr doch neben Rösler und Lindner das dritte Mitglied der einst hoffnungsfrohen Boygroup. Die turbulenten vergangenen Monate hat er relativ unbeschadet überstanden.

Fakt ist: Sollte Westerwelle glauben, die gesamte Partei warte nur auf ihn, dann irrt er. Es gebe sicher eine diffuse Vorstellung, dass er irgendwie hilfreich sein könne, sagt einer aus der Bundestagsfraktion. Wenn er aber tatsächlich versuchen sollte, innenpolitisch einen Neuanfang zu starten, würde das "nicht positiv aufgenommen werden", meint eine andere Stimme. Und warnt: "Es gibt nur wenige fanatische Westerwelle-Anhänger in der FDP."

Es gibt auch Stimmen, die den angekündigten "Aufschlag" Westerwelles mit seinem Naturell begründen. In diesem Fall reiche ein Wort für die Erklärung: "Eitelkeit".

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