Guido Westerwelle leitet Kabinettssitzung:Heute ein König, morgen ein Prinz

Guido Westerwelle ist wieder da - als Interims-Regierungschef leitet er seine erste Kabinettssitzung. Angesichts der Umfragewerte für seine FDP könnte dieser Westerwelle-Mittwoch für den Kanzler der Reserve selbst therapeutisch wirken.

Michael Bauchmüller, Berlin

Karneval kann eine verdammt nostalgische Angelegenheit sein. In Bonn, der Heimatstadt Guido Westerwelles, ergehen sich die Menschen immer wieder in Sehnsüchten: "Ach wär' ich nur - ein einzig Mal", singen sie dann, "ein echter Prinz - im Karneval." Den wenigsten wird solche Form von Herrschaft jemals zuteil, sie erträumen sie sich von Jahr zu Jahr.

Darf erstmals eine Kabinettssitzung leiten: Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP), hier vor dem Auswärtigen Amt Ende Juli

Darf erstmals eine Kabinettssitzung leiten: Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP), hier vor dem Auswärtigen Amt Ende Juli

(Foto: AP)

Nicht so Guido Westerwelle. Der wird an diesem Mittwochmorgen zumindest für eine knappe Stunde das Sagen haben - als Vizekanzler leitet er zum ersten Mal eine Kabinettssitzung. Wochenlang hatte sich der FDP-Chef in Fragen des Innern zurückgehalten, nun hängt er gleich noch eine große Pressekonferenz dran. Es ist Westerwelles Tag.

Schon einmal, zu Beginn des Jahres, sollte er dem Kabinett vorsitzen, Kanzlerin Angela Merkel war auf Reisen. Doch die Sitzung fiel aus, es fehlten die Themen. Diesmal aber wird es klappen - wenn auch mit einer Rumpfmannschaft und spärlichem Programm.

Chef von einem halben Kabinett

Nur acht der 16 Kabinettsmitglieder werden zugegen sein. Die anderen machen wie die Kanzlerin Urlaub und lassen sich vertreten.

Auch die sieben Tagesordnungspunkte sind alles andere als explosiv: Da wäre etwa die übliche Top-1-Liste, eine Ansammlung reiner Formsachen, zu beschließen ohne Aussprache. Da wären die Personalia - dito. Da wären Fragen der europäischen und der internationalen Politik - derzeit nicht weiter beachtlich. Der Führerschein mit 17 ist so gut wie abgehakt, das neue "Lateinamerika- und Karibikkonzept" aus dem Hause des Außenministers Westerwelle auch. Aber darum geht es auch gar nicht so sehr.

Der Mittwoch soll für Westerwelle, arg gebeutelt vom Umfragetief seiner Partei, eine Art Befreiungsschlag werden. Das erklärt, warum Westerwelle gleich nach der Kabinettssitzung in die Bundespressekonferenz eilt, um dort zu "aktuellen Themen" zu sprechen.

Die Veranstaltung werde eine "große Tour d'Horizon", sagt Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans, "analog zur Pressekonferenz der Kanzlerin". Die hatte schließlich kurz vor ihrem Urlaub auch noch mal ihre Sicht der Dinge dargelegt. Nun verbreitet Westerwelle die seine, kurz vor dem Aufbruch in den Mallorca-Urlaub. Eine gute Stunde lang.

Therapeutische Prinzenrolle

Dann rollt die Westerwelle-Offensive schon weiter. Denn im Auswärtigen Amt will der Außenminister Westerwelle anschließend der Presse noch sein Konzept für Lateinamerika vorstellen. Damit schließt sich gewissermaßen ein Kreis, denn mit Reisen nach Lateinamerika und Asien ging der Ärger seinerzeit erst richtig los. Damals machte Westerwelle weniger mit Politik von sich reden als mit der Wahl seiner Begleiter, unter denen sich auffällig viele alte Bekannte des Ministers fanden.

Daheim hatte der FDP-Chef gerade eine unselige Debatte über den angeblich "anstrengungslosen Wohlstand" von Hartz-IV-Empfängern am Hals, von Westerwelle angestrengt in einem Zeitungsartikel. In der Folge hielt er fatal lang an Steuersenkungen fest, während sich seine Parteifreunde im Clinch mit der CSU verhakten. Demoskopen sehen die FDP nur noch bei fünf Prozent - nach 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl. So viel Absturz war selten.

Der Westerwelle-Mittwoch könnte da zumindest für den Vizekanzler selbst therapeutisch wirken. Die Prinzenrolle im Bundeskabinett haben auch seine Vorgänger sichtlich genossen, wenn auch selten lange. Amtsvorgänger Frank-Walter Steinmeier von der SPD beendete seine erste Kabinettssitzung nach 38 Minuten. Mehr war nicht.

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