"Guardian" nach Snowden-Enthüllungen unter Druck:Menschenrechtsbeauftragter sorgt sich um britische Pressefreiheit

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"Da ist eine rote Linie überschritten worden": Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, ist von den Geschehnissen im Keller des "Guardian" erschüttert. SPD-Chef Gabriel hält es für möglich, dass die EU eingreift.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), hat das Vorgehen der britischen Behörden gegen die Tageszeitung The Guardian scharf kritisiert. Die vom Chefredakteur der Zeitung geschilderten Vorgänge hätten ihn "regelrecht erschüttert", sagte Löning der Berliner Zeitung.

"Da ist die rote Linie überschritten worden", sagte Löning. Er mache sich Sorgen um den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in Großbritannien, fügte der Menschenrechtsbeauftragte hinzu.

Der Guardian hat mehrere Artikel über die Spähaffäre des US-Abhördienstes NSA sowie des britischen Nachrichtendienstes GCHQ veröffentlicht. Nach den ersten Artikeln wurde die Zeitung nach Angaben ihres Chefredakteurs Alan Rusbridger von der Regierung in London unter Androhung juristischer Konsequenzen gezwungen, Festplatten mit Informationen über die Spähprogramme zu vernichten.

Briten müssen Konsequenzen ziehen

Grundlage für die Veröffentlichungen des Guardians waren Dokumente, die der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden dem für die Zeitung arbeitenden US-Journalisten Glenn Greenwald gegeben hatte. Auch die Art und Weise, wie die britischen Behörden den Lebenspartner Greenwalds, David Miranda, auf dem Londoner Flughafen Heathrow festgehalten hätten, hält Löning für nicht akzeptabel. "Dies ist geschehen auf Grundlage eines Anti-Terror-Gesetzes. Eine Verbindung kann ich aber nicht erkennen", sagte Löning. Der 28 Jahre alte Brasilianer Miranda war am Sonntag in Heathrow neun Stunden lang von der Polizei befragt worden.

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Verhör auf dem Flughafen, zerschmetterte Festplatten im Redaktionskeller: Wie die britische Regierung mit dem "Guardian" umgeht, ist einer westlichen Regierung unwürdig. Die Vorgänge belegen, was der Überwachungsskandal um den Whistleblower Edward Snowden schon nahegelegt hat - Journalismus wird in seiner Substanz attackiert.

Ein Kommentar von Stefan Plöchinger

SPD-Chef Sigmar Gabriel hält in der Debatte um den britischen Nachrichtendienst ein Eingreifen der Europäischen Union für möglich. Die Briten sollten aus den aktuellen Vorfällen Konsequenzen ziehen, sagte der SPD-Vorsitzende dem Kölner Stadt-Anzeiger mit Blick auf die Aktionen gegen den Guardian und Greenwalds Lebensgefährten. "Wenn das nicht passiert, muss sich auch mal die EU-Kommission und das Europäische Parlament damit befassen", befand Gabriel.

"Offensichtlich sind in den letzten Jahren bei den Geheimdiensten Verhältnisse eingerissen, die einer so stolzen Demokratie nicht würdig sind", sagte Gabriel. Er führte aus: "Eine weitere Erosion von Freiheits- und Grundrechten unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung darf es in Europa nicht geben."

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